Thema Debitismus

 

Auszüge aus:

 

Die Krisenschaukel

Ein Buch von Paul C. Martin

 

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Ein Unternehmer, der sich verschuldet, um zu investieren, muß dafür sorgen, daß er die investiven Schulden mit Hilfe der Produktion aus der Investition auf dem Markt abträgt (gesamtwirtschaftlich für alle Unternehmer: dort Nachschuldner findet, die sich ihrerseits netto neu verschulden, wie gehabt). Das tut weh. Der Unternehmer wird in durchwachten Nächten den Tag verfluchen, da er zum erstenmal zur Bank gegangen ist und sich verschuldet hat.

 

Der Verbraucher, der sich für Haus-, Einrichtungs- und Autokauf verschuldet, muß mit höherem Einkommen dafür sorgen, daß er seine Schulden bedienen und abtragen kann (damit er aber ein höheres Einkommen erzielt, muß sich sein Arbeitgeber seinerseits wieder verschulden usw. usf.). Das tut weh. Auch der Verbraucher wird den Tag verfluchen, da er den Ratenkredit unterschrieben hat. Und der Unternehmer wird nochmals fluchen, weil er den Arbeitnehmer überhaupt eingestellt hat (noch dazu, wenn der dauernd krankfeiert oder in Mutterschaftsurlaub geht, woran aber weder der Kranke noch die Schwangere »schuld« ist).

 

So oder so: Wenn Schulden in der Welt sind, muß gearbeitet werden, um sie abzutragen. Je höher die Schulden sind, desto mehr muß gearbeitet werden.
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Bravo Debitismus! Ein Dakapo

 

Die Gegenüberstellung der »FT«-Autoren Wolf und Toporowski zeigt: Wer ernsthaft Schulden streichen will, muß gleichzeitig Guthaben vernichten. Nur wer Guthaben vernichtet, kann entschulden. Wer das nicht kapiert, hat offenbar zuwenig Verstand. Oft scheint mir, als seien die Schulden in der einen Gehirnhälfte vorhanden, die Guthaben in der anderen. Die eine Hälfte denkt immer nur an was Schlimmes (Mein Geld ist in Gefahr!), die andere nur an etwas Schönes (Es ist ganz leicht, mein Geld zu retten!).

 

Obendrein geht es nicht nur um ein Rechte-Tasche-linke-Tasche-Phänomen. Sondern um das, was Schulden und Guthaben über den Zeitablauf vorantreibt: der auf beiden liegende Zinssatz, also der beide aufquellende Zins.

 

Diese Sicht der Dinge erreichen, also mit beiden Hirnhälften denken, kann nur, wer versteht, was Debitismus heißt. Die Gleichung Schulden = Guthaben ist nicht einfach nur eine Gleichung, sondern sie besitzt eine unglaubliche Dynamik, die wie eine Sturzflut alles mit sich reißt. Nur wenn wir das verstehen, sind wir imstande, endlich aus den Problemen der Weltwirtschaft herauszufinden.

 

Es gibt nur eine einzige Erklärung des Phänomens Wirtschaft, die richtig ist. Nur der Debitismus kann erklären, wie Wirtschaft funktioniert und wodurch sie gefährdet ist. Jede nichtdebitistische Weitsicht ist vom Ansatz her falsch.

Bitte lassen Sie sich daher noch einmal von dieser Theorie überzeugen:

  • Es wird nicht getauscht, also aufgrund von irgendwelchen Nettobeständen aus gewirtschaftet, sondern ausschließlich aufgrund von Schuldverhältnissen.

  • Schulden sind dadurch definiert, daß sie im Zeitablauf größer werden; Schulden, die »stehenbleiben«, gibt es nicht. Das Anwachsen von Schulden bestimmen bei der Urschuld physische Gegebenheiten (Hunger, Durst), bei der Kontraktschuld die von den Vertragsparteien vereinbarten Zinssätze.

  • Schulden sind nur möglich, wo es privates Eigentum gibt. In eigentumslosen Gesellschaften (Sozialismus) wird nicht gewirtschaftet, sondern das, was auf Geheiß von oben produziert wird, verteilt.

  • Arbeitsteilung ist nichts als eine Summe von Kontraktschuldenketten Dabei mussen sich die Unternehmer, die Arbeit schaffen, in ihrer Gesamtheit verschulden. Arbeitsteiliges Wirtschaften ohne Zins ist nicht vorstellbar. Arbeitsteilung als solche, von der Adam Smith, der Begründer der modernen Nationalokonomie, behauptet, sie würde »die produktiyen Kräfte der Arbeit mehr als alles andere fördern«, fördert in Wahrheit gar nichts.

  • Nur der die Schulden über Zeitablauf automatisch vergrößernde Zins erzeugt jenen Druck, der zur »Wachstumsdynamik« führt. Die Marxisten nannten diese Dynamik »Entfesselung der Produktivkräfte«, die im realen Sozialismus nur leider nirgends stattgefunden hat.

  • Zusätzliches Sozialprodukt läßt sich nicht mit den vorhandenen Schuldendeckungsmitteln vermarkten, also mit Hilfe der sogenannten Geldmenge. Alles vorhandene Geld ist immer nur das Resultat zeitlich vorangegangener Kontrakte. Geld als solches oder »netto« gibt es nicht. Die Vorstellung von einer Geld-»Menge«, die als Tauschmittel außerhalb oder neben der Wirtschaft vorhanden ist, ist Blödsinn. Jeder Geldmenge entspricht eine gleich hohe Schuldenmenge.

  • In einer kapitalistischen Wirtschaft ist immer zuwenig Geld vorhanden beziehungsweise »im Umlauf«! Um alle laufenden Schuldverhältnisse vertragsgemäß abzuwickeln, also die Schulden plus die Zinsen (oder die erwarteten Gewinne) zu bezahlen, braucht die Wirtschaft immer zusätzliche Schuldendeckungsmittel. Dieses »neue Geld« aber kann nur durch endlos fortgesetzte Nettoneuverschuldung ge­schaffen werden. So heckt dann Geld doch Geld und gleichzeitig gleich hohe neue Schulden. Das hatte der große Aristoteles nicht begriffen.

  • Die neuen Schuldverhältnisse helfen nicht nur bei der Erfüllung alter Kontrakte, sondern sie führen ihrerseits zum bekannten Schuldendruck, dem man nur durch die Erstellung von Gütern und Diensten entkommen kann, die zeitlich später mit Hilfe wiederum neuer Kredite/Schulden vom Markt genommen werden. Daraus resultiert eine ad infinitum laufende Verschuldung.
    Der Kapitalismus ist ein Kettenbrief.

  • Das Angebot einer Volkswirtschaft (auch der gesamten Weltwirtschaft) kann sich nie seine (gesamte) Nachfrage schaffen. Die zu jedem beliebigen Zeitpunkt vorhandene Nachfrage reicht niemals aus, um den Markt zu räumen. Das »wirtschaftliche Gleichgewicht« ist eine Schimäre.

  • Tritt der Staat als Schuldner auf den Plan, hilft er zunächst den vom Untergang bedrohten Schuldnern. Deshalb sind alle von »Ankurbelungsprogrammen« begeistert. Da der Staat aber weder etwas leistet noch potentielle Nachschuldner nachhaltig zur systemnotwendigen Nettoneuverschuldung zwingen kann, verpufft der Effekt schnell. Das ist das bekannte »Strohfeuer«, das nach solchen Schnellschüssen immer wieder beobachtet wird.

  • Da die Staatsschulden nach Erlöschen des Strohfeuers aber nicht verschwinden, sondern als Guthaben bei jenem Teil der Bevölkerung stehenbleiben, der sich den Kauf von Staatsanleihen leisten konnte, kassieren diese »Reichen« arbeitslose Einkommen. Weder der Schuldner (Staat) noch die Gläubiger (reiche Bürger) leisten etwas. Das teilt die Gesellschaft immer schneller in Arme und Reiche.

  • So verschärft der Staat jene sozialen Mißstände, die zu bekämpfen er vorgibt. Am Ende ist der Staat überschuldet, der Crash (Staatsbankrott) droht, Finanzkrise und Deflation starten. Im einen Teil der Bürger wächst die Angst um den Arbeitsplatz, im anderen Teil wächst die Angst ums Geld.

  • Staatsschulden sind gut. Die Staatsverschuldung ist schlecht.
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