Das
1x1 der Wirtschaft
In den Medien oder in den Internet-Foren hört
und liest man immer wieder Begriffe rund um die Wirtschaft. Viele Board-Teilnehmer
haben jedoch Schwierigkeiten diese Begriffe und ihren Zusammenhang untereinander
zu verstehen.
Herr Dr. Paul C. Martin, Autor vieler Wirtschaftsbücher
(u.a. "Die Krisenschaukel") hat sich bereit erklärt, in einer für
Jedermann kurzen und verständlichen Form, diese Begriffe zu erklären.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich
bei Dr. Paul C. Martin bedanken! -Webmaster-
Ich erfülle seine Bitte gern, zumal es immer
wieder Begriffsverwirrungen gibt. Ich bitte, diesen Beitrag auch nur als
ein kurzes Destillat meiner allgemein Theorie der Wirtschaft zu verstehen,
die ich unter dem Begriff "Debitismus" in die Diskussion eingeführt
habe und der - auch von Hochschulprofessoren - bisher nicht ernsthaft widersprochen
werden konnte.
1. DEBITISMUS.
Wort von "debit" (lat. = schuldet). Grundgedanke:
Nicht Geiz und Gier, nicht Profitsucht oder ähnliches treiben die
Wirtschaft voran, sondern der auf ihr lastende permanente Schuldendruck.
Theorie übrigens von den Bremer Proff. Heinsohn & Steiger zum
1. Mal entdeckt, ihr Buch "Eigentum, Zins und Geld" erklärt alles
en detail; allerdings sehr akademisch und umfangreich.
2. TAUSCHTHEORIE.
Die ist Schrott, die Theorie nämlich, auf
der alle (!) heutigen ökonomischen Modelle basieren, dass - im Grunde
- immer ein Gleichgewicht in der Wirtschaft herrscht, weil die Kosten immer
zu Einkommen werden und die dann die mit Hilfe der Kosten hergestellt Produktion
vom Markt nehmen. Geld spielt darin sozusagen nur als "Tauschmittel" eine
Rolle, quasi als Vereinfacher des Tausches von Zement in Hühner oder
Löhne in BMW-Cabrios.
3. NACHSCHULDNER.
Tatsächlich ist die Wirtschaft nie im Gleichgewicht,
ganz einfach, weil Zeit verstreicht, bis die Kosten wieder in die Firmen
zurückkehren können. Diese Zeit kostet Geld (Zins). Aber das
Geld dazu ist nirgends in der Wirtschaft vorhanden. Also? Also muss es
sich jemand "leihen", so dass wir in einem System leben, das die alten
Schuldner nur erlösen kann, indem immer wieder neue "Nachschuldner"
dazu kommen. Fielen sie eines Tages aus, würden alle vorangegangenen
Schuldner logischerweise sämtlich pleite gehen.
4. GELDMENGE.
Irrlehre! Es gibt keine Geld"menge", das ist eine
Begriffsverwechslung, aus dem Bereich der Güter entlehnt. Es gibt
immer nur eine gleich hohe Summe von Guthaben und Schulden bzw. umgekehrt.
Und da auf beidem immer Zins liegt, der aber immer wieder durch neue Verschuldung
herbeigezaubert werden muss, schreit das System immer nach neuer Nettoneuverschuldung.
Oder es geht unter.
5. SCHULDENDRUCK.
Jeder im Kapitalismus (= unsere freie Wirtschaft)
ist ein armes Schwein. Selbst wenn er selbst mal gerade schuldenfrei ist,
wohnt er doch in einem Haus, das sein Vermieter finanziert hat oder arbeitet
in einer Firma, die gerade mit ihrer Bank um neue Kredite feilschen muss.
Das war erstmal das Vorspiel. Und gleich geht's
weiter:
6. NACHFRAGE.
Jeder kann nachfragen; dazu braucht er kein Geld.
Es reicht, wen er sagt: "Ich kaufe" - wie er dann das Geld besorgt, ist
sein Problem (Wechsel, Konto überziehen, Visa, Geld von Oma leihen
usw.). Jeder Nachfrager ist - sub summa aller Nachfrager - also verschuldet,
egal ob der einzelne doch gerade flüssig war/ist oder klamm.
7. INFLATION I.
Jede Nachfrage steigert tendenziell den Preis
- es sei denn der Unternehmer ist zu blöd, die Preise anzuheben, wenn
der Laden voller Leute ist. Jeden Tag erleben wir also an einzelnen Märkten
und in einzelnen Produkten Mini-Inflationen.
8. DEFLATION I.
Nun habe ich also mein Ding, das tendenziell im
Preis gestiegen ist. Aber ich habe noch nicht das Geld, um es zu bezahlen.
Dazu muss ich mich nun anstrengen und etwas leisten oder produzieren -
also ein Zusatzangebot in die Welt zu schicken. Und das senkt den Preis
auf diesem Markt wieder. Also Mini-Deflationen.
9. STABILITÄT.
So besteht die Welt aus lauter kleinen Inflationen
und Deflationen - und am Ende bleibt das Preisniveau stabil. Dass das ganze
vor dem Hintergrund der permanent benötigten "Zusatzverschuldung"
stattfindet, spielt keine Rolle, denn 7 und 8 sind genau das, was damit
gemeint war.
Das war's eigentlich schon: Alles paletti!
Zwar gibt's niemals Gleichgewicht, weil sich das
System immer wieder aus sich heraus vorwärts treibt. Aber es läuft
- es sei denn, die Nachschuldner fallen komplett aus. Aber warum sollten
sie? Wir alle wollen doch besser leben und da stecken wir schon mal was
ins Geschäft (der Unternehmer in seine Firma, wir in unser Ego).
Doch dann!
10. STAAT.
Nun dürfen ja nicht nur wir Schulden machen,
sondern auch ein sonderbares Gebilde, das STAAT heisst. Während wir
unsere Schulden abarbeiten, für Zins und Tilgung sorgen müssen,
juckt den STAAT sowas überhaupt nicht. Er ist der einzige Schuldner,
der auf die Frage nach Zinszahlungen sagen kann: Ach schreiben Sie's doch
dazu.
11. SCHULDENEXPLOSION.
Der Staat darf also seine Schulden "stehen lassen"
und damit mahlt der Zinseszins. Bei 7 % verdoppelt sich die Schuld alle
zehn Jahre, bei 10 % alle sieben Jahre, usw. Einfach mal in die Schuldenkurven
aller Staaten gucken - sofort ist alles klar. Da ist ein Hochleistungskrimineller
am Werk gegen den Baulöwe Jürgen Schneider usw. Waisenknaben
waren und sind.
12. FINALE.
Vom Wiener Baurat und vereidigten Gerichtssachverständigen
Dipl.-Ing. (einem unbestechlichen Naturwissenschaftler also) Walter Lüftl.
stammt die Formel (hier in Worten, nicht in Zahlen):
Steigen Schulden schneller als das, woraus sie
verdient werden können, kommt es in berechenbar endlicher Zeit zum
Bankrott. Gilt für Tante-Emma-Länden genauso.
Nur beim Staat ist das, woraus er sich bedienen
kann, nur die Wirtschaftsleistung, und wächst die langsamer als die
Staatsverschuldung... (vollenden Sie den Satz bitte selbst). Alle Staaten
sind hart unterm Wind auf Bankrott-Kurs.
13. INFLATION II.
Die Staatsschulden sind zunächst zusätzliche
Nachfrage und deshalb auch so beliebt, weil ins System des "Debitismus"
(1) scheinbar passend. Da der Staat aber nicht leistet, fehlt die "Warenmenge",
die das Preisniveau wieder senken könnte. Es kommt zur richtigen Inflation:
Immer nur Nachfrage, aber die erlösende Warenmenge
erscheint nie. Es gibt demnach nur eine einzige (!) Ursache für Inflation
- das ist der STAAT.
14. INFLATIONSENDE.
Das ist - auch bei robuster Staatsnachfrage mit
Hilfe immer neuer Schulden - spätestens dann erreicht, wenn die Kosten
der Fortsetzung der Inflation ihre Erträge übersteigen. Kurz:
Wenn die staatliche Neuverschuldung gerade noch ausreicht, um die inzwischen
aufgelaufenen Zinszahlungen zu egalisieren. Dann ist der Zauber weg und
selbst bei größten Defiziten (siehe heute Japan) schmiert die
Wirtschaft mehr und mehr ab.
15. HYPERINFLATION.
Der Staat kann auch noch die Notenpressen laufen
lassen und Geld drucken wie blöd (bei der Notenbank wird's abgeholt
gegen Hinterlegung immer kurzfristigerer Rückzahlungsversprechen),
doch auch das endet nach Regel 14: Die deutsche Hyperinflation endete 1923
warum? Weil die Kosten für Papier und Druck höher waren als das,
was draufstand. Deshalb sind die letzten "Billionen"-Scheine nur noch ganz
klein und bloß einseitig bedruckt.
16. DISINFLATION.
Die Hyper-Infla-Lösung steht diesmal noch
aus. Nach der ausschließlich STAATSverschuldeten Normal-Inflation
der 70er Jahre kam erst mal die Infla-Kippe (auch durch "Bremsmanöver"
der Notenbanken) und dann sanken die Preissteigerungsraten und damit die
Zinsen.
Eigentlich sehr schön, nicht? (Aber Achtung:
Die alten Schulden sind stehen geblieben, wir sehen sie noch wieder; Schulden
verschwinden nie von selbst!).
17. GOLD.
Die Goldhausse der 70er Jahre mit Spitze 1980
bei 850 $ / Unze brach mit Crash (Sachwerte-Crash) und damit war das Thema
vorerst zu Ende...
18. BÖRSEN-HAUSSE.
... bis es dann 1982/83 zwanglos in die Finanztitel-Hausse
mündete, die mit jeder Menge Möglichkeiten, auf die Notenbanken
zu ziehen richtig flott gemacht wurde, die aber vor allem der sinkende
Zinsfuß vorantrieb.
19. MANIE.
Die Hausse wurde, wie immer, wenn die Gier jeden
mit Blindheit schlägt, vollends zur Manie, es wurde entspart (USA),
sogar auf Aktien Kredit aufgenommen wie noch nie zuvor in der Weltgeschichte.
Double-your-money-every-hour!
20. TOP.
Auch die Finanztitel-Hausse muss logischerweise
enden (wie vorher die Sachwert-Hausse), sobald die Kosten ihrer Fortsetzung
ihren Ertrag übersteigen. Dies wurde durch die Zinsanhebungen der
Fed (amerikanische Notenbank) ermöglicht, die sowieso nichts kapiert
hat. Wenn Fed-Chef Greespan in der Hausse von einer "irrational exuberance"
spricht, versteht er nicht, was in jeder Disinflation vollständig
"rational" passiert (zum letzten Mal 1923 ff.; US-Infla davor war 1915
bis 1920).
21. CRASH.
Ob Crash als Crash, als Salami oder als langer
Bärenmarkt daherkommt, ist egal. Es geht abwärts, immer mehr
Träume platzen, immer mehr Kredite werden notleidend, Stimmung schlägt
um. Der Bär hat viel Zeit und nur eins im Sinn: die maximal mögliche
Zahl von Anlegern mit sich in die Tiefe zu nehmen.
22. DEFLATION II.
Das ist der eigentliche Würger. Weil die
alten Guthaben ja noch da sind (gleich hoch wie die Schulden - Sie erinnern
sich doch!), drängend die jetzt immer mehr auf Zahlung. Und da die
Preise anfangen zu sinken (Notverkäufe und andere Ursachen; schließlich
haben wir ja "Debitismus", d.h. ständigen Liquiditätsdruck),
wiegen die zum alten Nominalwert existierenden Schulden "real" immer schwerer.
23. DEPRESSION.
Dann fällt alles, Kurse, Preise, Werte. Ob
die Zinsen auch noch auf Null gesenkt werden, spielt keine Rolle mehr,
siehe Japan jetzt. Die ausgweglose Lage entsteht. Hilfe wäre nur möglich,
wenn die Schulden/Guthaben gestrichen bzw. zumindest zinsfrei gestellt
würden - und das zumindest bei den Staatsanleihen, die nichts anderes
sind als Forderungen der Bürger an sich selbst, Schwindelpapiere also,
oder eben ein "hochverzinsliches Nichts".
24. SCHLUSS.
Der ist erst, wenn alle jene Schulden ausgebucht
sind, die die Inflation verursacht haben. Schluss in der Geschichte heisst
immer: Das alte Preisniveau (Vor-Infla!) wird wieder erreicht. Perfektes
Beispiel USA: Die Preise von 1915 wurden punktgenau (!!) 1934 wieder erreicht.
Also herrschte 20 Jahre absolut stabiles Preisniveau - oder nicht? Wer
spricht denn da von "Weltwirtschaftskrise", was will er uns damit sagen?
Ich sage aber: Auch diesmal werden alle Preise, vergleichbare Güter
vorausgesetzt, wieder auf das Niveau der frühen 50er Jahre fallen.
Tja und nun? Und GOLD??? Jetzt wird's spekulativ.
25. GOLD WOHIN I?
In der Deflation fallen alle Preise, auch der
von Gold. Wie weit weiß ich nicht. Es gibt für mich nur ein
einleuchtendes Preisziel, das von Jürgen
Küssner, dem m. E. besten Elliott-Wellen-Analytikers, den ich
kenne (man schaue in seine Page). Es liegt bei ca. 200. Ich weiß
natürlich, dass es einen absoluten "Nullpunkt" für Gold gibt.
Der liegt bei 42,22 $ / Unze. Zu diesem Preis muss US Treasury alles Gold
ankaufen, das angeboten wird. Tiefer kann der Preis nicht fallen.
26. GOLD WOHIN II.?
Küßner "sieht" aufgrund seiner sehr
sorgfältigen Analyse eine Goldpreis von 2000 bis 3000 $ / Unze. Für
mich "fundamental" gesehen unvorstellbar, weil selbst in einem Komplett-Crash
des Geld- und Finanzsystems kein Mensch mehr ins Gold gehen kann, ganz
einfach weil ihm das Geld dafür fehlt (niemand hat dann mehr "Geld"),
ich erinnere an Hongkong nach dem 87er Crash: Gleich nach den Aktien stürzte
Gold, weil Liquidität beschafft werden musste. Also kann hinter dieser
verwegenen Analyse nur etwas ganz anderes stehen: Eine Goldauf-
(=Dollarab-)wertung!
So etwas gab's zuletzt 1934 unter Roosevelt (von
ca. 20 auf 35 Dollar / Unze). Mit einem solchen Geniestreich würden
sich die USA schlagartig ihrer Schulden entledigen (die entsprechend abgewertet
würden). Das Preisniveau würde schlagartig steigen und alle Schuldner
entlasten. Nummer funktioniert aber nur, wenn anschließend wieder
Rückkehr zum alten, Goldstandard mit Goldan- und -verkaufsverpflichtung
in jeder gewünschten Höhe.
Reine Spekulation heute noch. Und auf keinen Fall
eine Anlageempfehlung weder auf der Long- noch auf der Short-Seite.
Dr. Paul C. Martin, Hamburg
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Anmerkung des Webmasters: weiterführender
Artikel auf unseren Seiten: "Staatsverschuldung"
http://www.goldseiten.de/ansichten/pcm-03.htm |