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Wer sind die Terroristen? (5.2.)

Eine fremdartige arabische Welt wird in dem Film "Flucht aus Saudi-Arabien" gestern in "Vox" gezeichnet, die nach der wahren Geschichte eines amerikanischen Bauunternehmers gedreht wurde. Er reiste in den 70er Jahren in das Land am Golf, um einen Bau zu leiten, gerät jedoch an betrügerische Geschäftspartner, die ihn hinhalten, vertrösten, hintergehen. Es erinnert ein wenig an Kafkas "Schloss", wäre da nicht auch die Szene, wo der Mann in eine Menge gerät, die zu einer Steinigung drängt. 

Ein Amerikaner, der schon länger im Land arbeitet, holt ihn raus und meint lapidar, wahrscheinlich hat die Frau ihren Mann nicht mal betrogen, sondern man hat es nur vermutet. Der Unternehmer geht zu Gericht und bekommt Recht, doch seine Vertragspartner sorgen dafür, dass er mehrmals im Gefängnis landet und behalten, da Bürger Saudi-Arabiens für Gäste bürgen müssen, seinen Pass. Er flieht dann mithilfe seines Freundes in einer Transportkiste, die in eine Maschine nach Amsterdam verladen wird. 

Die Baufirma erholte sich nie von den Verlusten, doch die Saudis verurteilten ihre betrügerischen Landsleute, weil sie dem Ansehen in den USA Schaden zugefügt haben. - Beim Film wird der Zuseherin/dem Zuseher die Fremdartigkeit der arabischen Kultur bewusst, was wohl auch beabsichtigt war. Müssen wir, um 9-11 zu verstehen, uns wirklich in ein ganz anderes Umfeld hineinversetzen? 

Da wäre mal die Sache mit dem Terrorismus, was zum einen sogenannte Terroranschläge meint, andererseits die massenhafte Tötung unschuldiger BewohnerInnen eines Landes. In "The Colder War" schreibt John Pilger, dass manches an der Terrorgefahr real, das meiste jedoch erfunden ist. Und dass es sozusagen die neue "Rote Gefahr" darstellt. 

Für den erfahrenen und aufrechten Journalisten gehören die Bilder der Erniedrigung gefangener Taliban in Guantanamo zur "Konditionierung" der Öffentlichkeit auf diese neue Gefahr, da man ja wohl nur jene so demütigend behandeln wird, die es "verdient" haben. Diese Mechanismen gehören zur psychologischen Kriegführung, da die Menschen fälschlicherweise annehmen, dass es Feuer geben muss, wo Rauch sichtbar wird.

Auf diese Weise soll davon abgelenkt werden, dass der "Erfolg" von USA und Grossbritannien in Afghanistan mehr als 5000 unschuldigen Menschen das Leben gekostet hat. Also Terror gegen Terror darstellt, vorausgesetzt, irgendjemand in Afghanistan hat wirklich was mit 9-11 zu tun gehabt. Wie in den 50er Jahren die "Rote Gefahr" verwendet wurde, um Rüstungsausgaben zu steigern und BürgerInnenrechte einzuschränken, wird heute die Terrorgefahr benutzt. 

Die US-Administration spricht nun von einem langen Krieg, bis 50 Jahre, 40 bis 50 Staaten betreffend, einem "totalen Krieg". Mit Orwell - "war is peace" - könnte man statt "war on terrorism" sagen "war is terrorism". Der nächste terroristische Angriff der USA könnte Somalia gelten, wo es bereits vor ein paar Jahren eine Invasion mit dem verschleiernden Namen "Restore Hope" gab.

Der Tod von 18 amerikanischen Soldaten 1993 wird im Film "Black Hawk Down" glorifiziert, während der Tod von zwischen 7.0000 und 10.000 Somalis keine Erwähnung findet. Pilger meint, diese Menschen gelten wie die Opfer in Afghanistan, im Irak, in Kambodscha und Vietnam als Nichtmenschen, deren Ende im Westen keinen politischen und medialen Wert darstellt. Pilger fordert die Menschen dazu auf, das Schweigen über die Opfer zu brechen, weil das bedeutet, die selbst erlebte Geschichte nicht auf diese Weise schreiben zu lassen "mit Lügen und dem Blut unschuldiger Menschen".

Sollten sich einige Medienleute hierzulande auch zu Herzen nehmen, die hinter ihrer Selbstinszenierung als mutige Verteidiger der Pressefreiheit doch oft nur wie Pawlows Hunde US-Aussenpolitik apportieren und für Gehorsam belohnt werden. Pilger erinnert daran, wie sich eigentlich der "totale Krieg" entwickelte und welche Rolle dabei als Vater Zbigniew Brzezinski spielte, einst nationaler Sicherheitsberater von Präsident Carter. Der angeblich so humanistische Carter genehmigte nämlich im Geheimen 500 Millionen Dollar zur Schaffung einer internationalen terroristischen Bewegung, welche islamischen Fundamentalismus überall dort verbreiten sollte, wo es den USA geostrategisch günstig erschien.

Die CIA nannte diese vor allem gegen die Sowjetunion gerichtete Operation "Cyklon" und finanzierte mit 4 Milliarden Dollar islamische Trainingscamps in Pakistan, aus denen auch die Taliban entstammen sollten. Junge Männer wurden bei der CIA in Virginia ausgebildet, zukünftige Al Qa'ida-Mitglieder lernten "Sabotagefertigkeiten", sprich Terrorismus. Andere wiederum wurden in Brooklyn in Islamschulen rekrutiert, in Sichtweite der Twin Towers. In Pakistan wurden sie von Angehörigen des britischen Geheimdienstes MI 6 geführt und von der SAS trainiert. 

Damals, Ende der 70er Jahre, war das Ziel der USA, die erste liberale afghanische Regierung zu beseitigen, die Frauen gleiche Rechte zugestand, ein Gesundheitssystem und Bildungsprogramme geschaffen hatte. Als die Taliban 1996 an die Macht kamen, hingen sie den früheren Präsidenten an einem Laternenpfahl in Kabul auf. Er hing noch dort, als sie schon in Washington mit Vertretern der Regierung Clinton und von Ölfirmen verhandelten. Das Wall Street Journal erklärte sie zu jenen, die am fähigsten seien, für Frieden zu sorgen und brachten sie mit der Nutzung der gigantischen Ölreserven in Zentralasien in Verbindung.

Heute wagt es kein US-Medium, die gefangenen Taliban als Produkt dieser Politik zu bezeichnen. Und niemand fragt, wer eigentlich die grossen Gewinner des 11. September sind. Denn bei der Wiedereröffnung der New Yorker Börse hatten Rüstungsgesellschaften gestiegenen Wert: Alliant Tech Systems, Northrop Gruman, Rayethon, Lookheed Martin - die Aktien dieses grössten amerikanischen Lieferanten waren um 30% teurer geworden. Sechs Wochen nach dem 11. September hatte Lockheed den grössten Auftrag seiner Geschichte an Land gezogen, einen Vertrag über 200 Milliarden Dollar für die Entwicklung eines neuen Kampfflugzeuges.

Das grösste Tabu ist aber die terroristische Bilanz der USA, denn wenn Bush die Terroristen dorthin verfolgen will, wo sie Zuflucht gefunden haben, braucht er gar nicht weit zu suchen. Florida, wo Bruder Jeb Bush Gouverneur ist, hat Terroristen aufgenommen, die Flugzeuge und Schiffe mit Messern und Schusswaffen entführt haben. Die meisten von ihnen standen deswegen nie vor Gericht, da sie Anti-Castro-Aktivisten waren. 

Der ehemalige Verteidigungsminister Guatemalas Gramjo Morales, der beschuldigt wurde, eine Terrorkampagne gegen die Zivilbevölkerung zu leiten, bei der auch eine amerikanische Nonne gefoltert und alle acht Mitglieder einer Familie massakriert wurden, studierte mit einem Stipendium der US-Regierung in Harvard. - Übrigens sorgten in Guatemala erst CIA und United Fruit dafür, dass solche Terroristen an die Regierung kamen, und von diesem Putsch stammt der Begriff "Bananenrepublik". 

In El Salvador wiederum wurden in den achtziger Jahren Tausende von Todesschwadronen ermordet, deren damaliger Chef gemütlich in Florida lebt. Der frühere Diktatur Haitis General Avril, der sich gerne Videos von Folterungen ansah, floh nach seinem Sturz nach Florida und bekam politisches Asyl in den USA. Ein führend Mitglieder der chilenischen Militärdiktatur unter General Pinochet, das speziell für Hinrichtungen und Folter zuständig war, lebt in Miami. 

Auch jener iranische General, der für die Gefängnisse in der Shah-Zeit verantwortlich war, geniesst seinen Wohlstand in den USA. Einer von Pol Pots wichtigsten kambodschanischen Henkern wohnt in Mount Vermon im Bundesstaat New York. Diese Menschen aus unterschiedlichen Gegenden der Erde haben jedoch nicht nur gemeinsam, dass sie Terroristen sind: sie haben alle entweder direkt oder indirekt für die amerikanische Regierung gearbeitet. 

Pilger nennt die Al Qa'ida-Trainingscamps "Kindergärten" im Vergleich mit der heute unbenannten amerikanischen Terroristenschule School of the Americas in Fort Benning in Georgia. [Zur Erinnerung: Terrortraining im Auftrag der US-Regierung]
Zu den Graduierten gehörte fast die Hälfte des Regimes in Guatemala, zwei Drittel der Armeeoffiziere in El Salvador und der Chef von Pinochets Geheimpolizei, die in Chile Konzentrationslager betrieb. Somit wurden die Gefühle der Menschen, die über den 11. September entsetzt waren, selbst entführt, und zwar von einer Supermacht mit einzigartiger, von niemandem sonst erreichter Geschichte des Terrorismus. Daher geht es auch nicht um Kampf gegen Terrorismus - was bedeuten würde, bei sich selbst anzufangen -, sondern um globale Vormachtstellung....

Text: Alexandra Bader

Weitere aktuelle Infos:
Die Pläne von USA und GB, den Irak zu bombardieren
http://sg.news.yahoo.com/020203/1/2eyeh.html - Rumsfeld meint, der Iran habe Al Qa'ida-Kämpfern bei der Flucht geholfen
http://www.time.com/time/world/article/0,8599,198857,00.html - auch das Time Magazin behauptet dies
http://www.kimsoft.com/1997/nk-oil3.htm - deshalb gehört Nordkorea zur "Achse des Terrors": Öl ....
http://www.washingtontimes.com/world/20020203-17119558.htm - Al Jazeera gibt bezüglich eines Bin Laden-Interviews nach
http://www1.timesofindia.com/articleshow.asp?art_id=1913297228 - Indien und Russland werden einen Vertrag über Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich unterzeichnen
http://news.independent.co.uk/world/asia_china/story.jsp?story=117985 - Robert Fisk appelliert an die Entführer seines Freundes Daniel Pearl, ihn freizulassen
http://www.miami.com/herald/content/opinion/opcol/digdocs/055040.htm - Bushs Karriere im Ölgeschäft
http://www.findarticles.com/cf_0/m1111/1797_300/59086099/print.jhtml - Harper's Magazine über Bushs Business-Geschichte

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