Washington treibt Indien und Pakistan an den Rand eines Krieges 

Prof. Michel Chossudovsky, Centre for Research on Globalisation (CRG) in Montreal (Canada)

Im Folgenden dokumentieren wir in einer deutschen Übersetzung und im englischen Original einen Beitrag des kanadischen Sozialwissenschaftlers Michel Chossudovsky, in dem die Rolle der USA im Konflikt zwischen Indien und Pakistan herausgearbeitet wird. Die Übersetzung besorgte für uns Hans-Peter Richter (Berlin). 
 

Indien und Pakistan befinden sich gerade am Rand eines Krieges 

Von den Medien wird uns dieser Konflikt präsentiert, als ginge es um den Status von Kaschmir. Dabei wird die Rolle, wie die Außenpolitik der USA diesen Konflikt fördern, beständig übersehen. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat Washington absichtlich - durch verdeckte Operationen des Geheimdienstes - den indisch-pakistanischen Konflikt angeheizt. Im Nachlauf des 11. September haben sich inmitten neuer terroristischer Attacken und ethnischer Aufstände in Indien die Bedingungen in Richtung eines Ausbruchs des Krieges zwischen den beiden Ländern verändert. 

Der indisch-pakistanische Konflikt muss auch im breiteren regionalen Zusammenhang gesehen werden. Die USA mischen gegenwärtig bei verschiedenen damit zusammenhängenden Kriegsschauplätzen mit, die sich vom mittleren Osten bis nach Zentralasien erstrecken.
Der Krieg in Afghanistan ist durch die Militarisierung der ganzen zentralasiatischen Region gekennzeichnet mit der Stationierung von US-Truppen in verschiedenen früheren Sowjetrepubliken. 
Die Bush-Administration hat Israel bei der Invasion Palästinas durch einen Geheimplan mit dem Titel "Operation berechtigte Rache" unterstützt. Dieser zielt auf die Zerstörung der palästinensischen Autorität ab 
Washington hat seine Absicht angekündigt, einen totalen Krieg gegen Irak zu führen, der möglicherweise in die gesamte Region des mittleren Ostens überschwappen könnte. 
Der Ausbruch eines Krieges zwischen Indien und Pakistan enthält nicht nur die Möglichkeit eines atomaren Holocaust in einer Region, in der fast ein Viertel der Weltbevölkerung leben, sondern auch die eines größeren Krieges, die eine noch viel größere Region umfassen könnte, mit weichreichenden Folgen für die Zukunft der Menschheit. 

Beide Länder haben Atomwaffen und weit entwickelte Raketen-Trägersysteme. In dieser Woche wurde berichtet, dass Pakistan seine Shaheen-Raketen aufstellt, die eine Reichweite von 750 km haben.... Die pakistanische Regierung hat verkündet, dass "das Land die atomare Option ausüben würde, wenn sein Überleben auf dem Spiel stehen würde." 

General Pervez Musharraf hat die US-Regierung unterrichtet, "dass im Falle von irgendwelchen Bewegungen, Pakistan alle Möglichkeiten zur Sicherung des Landes ergreifen wird. In diesem Falle gibt es einen unbegrenzten Krieg." Indiens Atomarsenal ist auch in Alarmbereitschaft. 

US-Militär- und Geheimdienstplaner haben ohne Zweifel die Beziehungen zwischen diesen verschiedenen Kriegsschauplätzen analysiert. Die Geheimdienstoperationen in der erweiterten Region sind sorgfältig koordiniert. Augenfällig werden die vom CIA gesponserten Aufstände - indem der pakistanische Geheimdienst ISI als Vermittler auftritt - zur Unterstützung von islamischen Gruppen in einer Vielzahl von Ländern durchgeführt. 

Von den USA gesponserte Geheimdienstoperationen im indischen Subkontinent 

Es ist wichtig, den Hintergrund des indisch-pakistanischen Konfliktes zu verstehen und die Geschichte der von den USA gesponserten Geheimdienstoperationen im indischen Subkontinent, die vom pakistanischen militärischen Geheimdienst durchgeführt wurden. 

Gedeckt durch den CIA hat der ISI seit 1980 verschiedene sezessionistische islamische Aufstände im indischen Teil Kaschmirs unterstützt. Obwohl offiziell von den USA verdammt, wurden diese verdeckten ISI Operationen mit der schweigenden Zustimmung der US-Regierung unternommen. 

Als 1989 das Friedensabkommen von Genf und der sowjetische Rückzug aus Afghanistan gleichzeitig stattfanden, förderte der ISI die Schaffung der militanten Jammu und Kashmir Hizbul Majaheddin (JKMH). 

Die Terrorattacken auf das indische Parlament vom Dezember 2001 - die dazu beitrugen Indien und Pakistan an den Rand eines Krieges zu bringen - wurden von zwei in Pakistan stationierten Rebellengruppen durchgeführt, Lashkar-e-Taiba (Armee der Armen) und Jaish-e-Muhammad (Armee von Mohammed), die beide heimlich vom Pakistanischen Geheimdienst ISI unterstützt wurden. 

Der mächtige Rat zu auswärtigen Angelegenheiten (Council of Foreign Relations, CFR), der im Hintergrund eine Rolle bei der Formulierung der US-Außenpolitik spielt, bestätigt in einem CFR Hintergrund-Dokument, dass die Lashkar und Jaish-Rebellengruppen vom ISI unterstützt werden:
"durch seinen ISI hat Pakistan Lashkar und Jaish mit Geldmitteln, Waffen, Trainingslagern und Hilfe bei der Grenzüberquerung versorgt. Diese Hilfe - ein Versuch in Kaschmir den 'heiligen Krieg' der internationalen islamistischen Brigaden gegen die Sowjetunion zu wiederholen - bewirkte die Einführung des radikalen Islam in den schon lange andauernden Konflikt über das Schicksal Kaschmirs. 

"Haben diese Gruppen Geld aus anderen Quellen als von der pakistanischen Regierung erhalten? 
Ja, Mitglieder der pakistanischen und kaschmirischen Gemeinden in England schickten jährlich Millionen von Dollars, Unterstützung kam auch von Wahhabi-Sympathisanten vom persischen Golf. 

Haben islamischen Terroristen in Kaschmir Verbindungen zu den Al Kaida? 
Ja, 1998 unterschrieb der Führer der Harakat, Faruk Kashmiri Khali die Erklärung Osama bin Ladens, in der er zu Attacken auf Amerika aufrief, einschließlich auf Zivilisten und ihre Alliierten. Bin Laden wird auch verdächtigt, Jaish zu finanzieren, sagen Offizielle der USA und Indiens. Und Maulana Masud Azhar, der Jaish gegründet hat, reiste verschiedene male nach Afghanistan, um bin Laden zu treffen. 

Wurden diese militanten Islamisten trainiert?
Viele bekamen ideologisches Training in den selben Madrasas (moslemischen Seminaren) wie die Taliban und ausländische Kämpfer in Afghanistan. Sie bekamen militärisches Training in Lagern in Afghanistan oder in Dörfern in dem von Pakistan kontrollierten Teil Kaschmirs. Extremistische Gruppen haben kürzlich verschiedene neue Madrasas in Azad Kashmir eröffnet." 

Was die CFR hier verschweigt sind die Beziehungen zwischen dem ISI und der CIA. Wie Zbigniew Brzezinski (zufällig auch ein Mitglied von CFR) in seinen Schriften bestätigt, sind die "internationalen islamistischen Brigaden" eine Schöpfung der CIA. 

Angriff auf das indische Parlament 

Der Angriff auf das indische Parlament im Dezember 2001, dem terroristische Angriffe und ethnische Aufstände in Gujarat Anfang 2002 folgten, war der Höhepunkt eines Prozesses, der in den 80er Jahren anfing, finanziert von Drogengeld und angestiftet vom pakistanischen militärischen Geheimdienst. Diese vom ISI unterstützten Terrorattacken dienten dem geopolitischen Interesse der USA. Sie tragen nicht nur zur Schwächung und Zerstückelung der Indischen Union bei, sie schaffen auch Bedingungen, die zum Ausbruch eines regionalen Krieges zwischen Pakistan und Indien führen können. 

Sich überschneidende Militärbündnisse 

Ende 1998 unterschrieben Indien und Russland eine "langfristige Vereinbarung über militärische Zusammenarbeit", der Anfang 1999 ein Verteidigungsabkommen zwischen Indien und Frankreich folgte. Das Abkommen zwischen Delhi und Paris schloss sowohl den Transfer französischer Militärtechnologie als auch Investitionen von französischen multinationalen Rüstungsfirmen ein. Letzteres schließt Produktionsstätten von ballistischen Raketen und atomaren Sprengköpfen ein, worin die französischen Firmen Erfahrungen haben. Dieses franko-indische Abkommen hat direkten Einfluss auf die indo-pakistanischen Beziehungen. Es stößt auch mit den strategischen Interessen der USA in Zentral- und Südasien zusammen. Während Washington Militärhilfe nach Pakistan gepumpt hat, wurde Indien von Frankreich und Russland unterstützt. 

Kaum ein paar Wochen nach Beginn der Bombardierung Afghanistans 2001, führten Frankreich und Indien gemeinsame Militärübungen im Arabischen Meer durch. Unmittelbar nach dem 11. September erhielt Indien eine umfangreiche Waffenlieferung aus Russland, entsprechend dem indo-russischen Militärabkommen. 

Während Frankreich und die USA sich bei dem indisch-pakistanischen Konflikt auf entgegengesetzten Seiten zu befinden scheinen, versorgt Frankreich auch Pakistan mit militärischer Ausrüstung, als Konkurrent von US-Rüstungsfirmen. Allgemeiner gesagt, dieser Konflikt bringt Milliarden von Dollars an Profit für westliche und russischen Waffenfabrikanten. Die US-Außenpolitik marschiert vorwärts bei der Sicherung des Marktes für die fünf Großen Waffenproduzenten, jetzt zusammen mit British Aerospace Systems gegen ihre Konkurrenten aus Frankreich und Russland. 

Anfang Mai eilte der französische Verteidigungsminister Michele Alliot-Marie nach Pakistan, nachdem bei einer Terrorattacke 11 Franzosen von der Direction des Construction Navales (Direktion der Schiffskonstrukteure, DCN), die mit der Konstruktion von drei Agosta-Untersee-Booten für die pakistanische Marine zu tun hatten, ums Leben gekommen waren. Die Attacke war mit großer Wahrscheinlichkeit politisch motiviert und könnte zur Einstellung der französischen Waffenlieferungen nach Pakistan führen. Die Einstellung würde den Interessen der US-Rüstungsfirmen dienen. 

Am Rand eines Krieges 

In dieser Woche* hat der indische Premierminister Vajpayie verkündet, dass Indien zum Krieg als Antwort auf die Terrorattacken bereitet ist. Delhi hat Islamabad vor einer "Entscheidungsschlacht" gegen Terrorismus gewarnt, und seinen "Soldaten an der gespannten kaschmirischen Grenze gesagt, bereit zu sein für Opfer." Pakistan erwiderte "dass jede Grenzüberschreitung durch Indien Vergeltung provoziere", die vorhersehbar "einen größeren Konflikt zwischen Nachbarn, die beide Atomwaffen haben, auslösen könnte." 

Inzwischen haben indische Kriegsschiffe Positionen im Arabischen Meer in Nähe der pakistanischen Küste eingenommen. Ein Bericht von "Jane Defense Weekly" bestätigt, dass erwartet wird, dass das indische Atomstrategie-Kommando (SNC) am 11. Juni vor Ort sein wird. Das SNC wird von der indischen Luftwaffe (IAF) kommandiert. Man sagt, dass Indien 60 Atomsprengköpfe hat, Pakistan 25. Der Einsatz von Atomwaffen kann nicht ausgeschlossen werden. Beide Länder haben ihre Reserve-Streitkräfte aktiviert. 

Die Rolle der USA 

General Pervez Musharraf ist eine Marionette der USA. Seit dem Beginn der Bombardierung Afghanistans kontrolliert die US-Luftwaffe den pakistanischen Luftraum, wie auch verschiedene Militäreinrichtungen Pakistans. US-Militär- und Geheimdienstberater arbeiten eng mit den Pakistanis zusammen. 

Die USA ist nun schwer in der Region engagiert. Sie verfügen vollständig über die Benutzung von zwei pakistanischen Luftwaffen-Stützpunkten und seit Beginn des Krieges kontrollieren sie ein Drittel des pakistanischen Luftraumes, um ihre Militäraktionen über Afghanistan durchzuführen. Bis zu 35.000 pakistanische Soldaten sind zum Schutz der US-Streitkräfte, die in Pakistan stationiert sind, abgestellt. Zusätzlich sind 60.000 Soldaten an der Durand-Linie, der 1400 km langen pakistanisch-afghanischen Grenze, eingesetzt, um jeden Al Kaida-Agenten, einschließlich Osama bin Laden zu fangen, falls er versucht sein sollte, diese zu überqueren. 

Unter diesen Umständen kann Pakistan praktisch keinen Krieg ohne grünes Licht aus Washington anfangen. Der stellvertretende Staatssekretär Richard Armitage wurde von Washington für die Region zu Konsultationen zwischen beiden Regierungen abgestellt. Armitage war während der Reagan-Regierung einer der wichtigen Architekten für die geheime Unterstützung der Mujaheddin und der "militanten islamischen Basis sowohl während des afghanisch-sowjetischen Krieges als auch bei den Nachwirkungen. Die verdeckte Unterstützung der USA wurde durch den Drogenhandel im Goldenen Halbmond finanziert. Armitage wurde 1989 ein Treffen mit dem Staatssekretär-Assistenten wegen seiner Verbindungen zum Iran-Contra- und anderen Skandalen verweigert. Er diente als Assistent des Verteidigungsministers für internationale Sicherheitsangelegenheiten in den Reagan-Jahren. Nach Vereinbarungen mit der US-Regierung wurde sein Name beim Prozess im Oliver North-Fall als einer der Offiziellen des Verteidigungsministeriums genannt, die verantwortlich waren für den illegalen Waffentransfer an den Iran und die Contras." 

Mit anderen Worten, ist Richard Armitage auf einer "Friedensmission" oder er ist Teil einer andauernden Geheimdienst-Operation, die letztlich darin besteht, die politische Instabilität dadurch zu fördern, dass ein Land gegen das andere gehetzt wird? 

Washingtons List: Bewaffnung beider Seiten 

Die USA haben militärische Zusammenarbeit sowohl mit Indien als auch Pakistan. Amerika verkauft Waffen an beide Länder (wie auch Frankreich). Gleichzeitig kontrolliert Washington die Typen der fortentwickelten Systeme, die jedem Land zugänglich gemacht wurden. 

Ironischerweise wurde, während Amerika der engste Verbündete Pakistans ist, die militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Indien seit dem 11. September enger. Im November verkündete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei einem offiziellen Besuch Indiens die Notwendigkeit, "die militärischen und Verteidigungs-Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern zu stärken" im Zusammenhang mit dem Krieg gegen den Terrorismus.

Eine indische Verteidigungsdelegation, angeführt vom indischen Verteidigungsminister Yogendra Narain war in dieser Woche im Pentagon, "um die zukünftige militärische Zusammenarbeit zu diskutieren, einschließlich der Ausweitung des Bereiches, der Größe und Häufigkeit von gemeinsamen Übungen der Armeen." 

Inzwischen hat Washington seine militärische Unterstützung Pakistans erhöht. Die Bush-Administration hat durch die CIA auch einen Überblick über die von der ISI gesponserten Geheimdienstoperationen zur Unterstützung von islamischen Aufständen in Indien. In einem Land nach dem anderen wurden diese Aufstände von Washington benutzt, um die nationalen Gesellschaften zu destabilisieren. Das dem zugrundeliegende Muster ist sehr ähnlich dem, das gerade kürzlich in Mazedonien benutzt wurde, wo die von der UCK gesponserten Aufstände durch die NATO und US-Militärhilfe unterstützt wurden. Inzwischen hat die USA eine weitergehende militärische Zusammenarbeit im Rahmen des Partnership for Peace (NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden) mit dem mazedonischen Verteidigungsminister vereinbart. 

Während Washington Pakistan bewaffnet, hat es auch eine Vereinbarung über die militärische Zusammenarbeit mit Indien, die vor einer bewaffnete Aggression abschrecken und das indische Territorium verteidigen soll. Darüber hinaus schleust hinter den Kulissen die CIA - indem sie sich des pakistanischen ISI als "Vermittler" bedient - Unterstützung in Form von Geld und Waffen an die separatistischen Kräfte in Kaschmir. Es ist eine grausame Ironie, dass Washington beide Seiten bewaffnet und berät und das nach militärischen und Geheimdienst-Ermächtigungsregelungen, denen der US-Kongress zugestimmt hat. 

"Teile und herrsche": berate beide Seiten bei der Kriegsführung. Bewaffne beide Seiten im Konflikt, fördere den amerikanischen militärisch-industriellen Komplex. Entwickle gemeinsame militärische und Geheimdienst-Zusammenarbeit mit beiden Ländern, befähige die USA den Schauplatz eines möglichen Krieges zu überblicken. Zerstückele und verarme beide Länder. Stelle wieder ein Imperium her. 

Die verborgene Agenda ist es schließlich, die amerikanische Einflusssphäre nicht nur in Zentralasien sondern auch im indischen Subkontinent auszudehnen. 

Übersetzung: Hans-Peter Richter
Das Original unter http://www.globalresearch.ca/articles/CHO205C.html
* 23. Mai 2002 
 

http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Indien/chossudovsky.html