"USA und Israel haben Terrorgruppe Hamas aufgebaut"
 

(The Times of India)
In einem bemerkenswerten Artikel hat die in Neu Delhi erscheinende indische Tageszeitung The Times of India am 10. Mai ein Tabu gebrochen, das seit dem 11. September vor allem in den USA und Israel sorgsam gehütet wird, obwohl Insider längst die Fakten kennen: Washingtons Geopolitiker haben in den 80er Jahren bei ihrem antisowjetischen Kreuzzug in Afghanistan nicht nur bin Ladens Al Quaida-Terroristen ausgebildet und nach Kräften gefördert, sondern auch die "palästinensischen" Terrorgruppen Hamas und Islamischer Dschihad. Auf diesen Zusammenhang hatten seit einiger Zeit nicht nur führende arabische Politiker - darunter vor allem Palästinenserchef Arafat - , sondern auch der amerikanische Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche wiederholt hingewiesen. 

"Es wird oft übersehen, daß Al-Quaida, die meisten radikalen Gruppen in Pakistan und anderswo sowie die zwei palästinensischen Terrorgruppen Hamas und Islamic Jehad allesamt Ende der 80er Jahre von den USA in Afghanistan ausgebildet und einem gemeinsamen Konditionierungsprozeß unterworfen wurden", heißt es in dem Editorial "Sturm ernten" in The Times of India vom 10. Mai; und weiter: "In den Jahren danach wandten [diese Terrorgruppen] sich gegen ihre Mentoren und betrachteten die USA als ihren Hauptfeind. Während die Führung der pakistanischen Armee und des [Geheimdienstes] ISI die Dschihadis in ihrem Stellvertreterkrieg gegen Indien einsetzten, benutzten die Israelis Hamas als Gegengewicht gegen Jassir Arafat und die PLO. Seit Washington nach dem 11. September den Krieg gegen den Terrorismus erklärte, versucht Islamabad sich von den Dschihadis zu distanzieren. Tel Aviv macht unterdessen Jassir Arafat für terroristische Anschläge verantwortlich, die von Hamas verübt wurden, [der Terrorgruppe], die vorher von den USA und Israel ausgebildet wurde und nie der Kontrolle der Palästinensischen Behörde unterstand." 

"Die USA und Israel haben versucht, ihre Verantwortlichkeit für den Terrorismus von Hamas zu verschleiern, indem sie der Palästinensischen Behörde die Schuld zuschoben", schreibt The Times of India abschließend. Ähnliche Absetzbewegungen von Al-Quaida versuchten Armee und Geheimdienst in Pakistan; "in beiden Fällen sind die Terroristen entschlossen, die USA und ihre Verbündeten herauszufordern. Da beide Terrorgruppen denselben Ursprung haben, könnte bei der Eskalation der Gewalt in Pakistan und West Asien [Nahost] ein Zusammenhang bestehen." Diejenigen, die den "Wind des Terrors gesät haben, ernten heute Sturm." 

Selbst in der israelischen Presse kommt inzwischen - wenn auch verdreht - die schmutzige Wahrheit über die wahren Opfer (und Profiteure) des "palästinensischen" Terrors ans Licht, denn es war nicht zu übersehen, daß sich der jüngste Terroranschlag bei Tel Aviv zu einem für Scharon denkbar günstigen Zeitpunkt ereignete - und übrigens auch von Fachleuten, wie z.B. dem israelischen Militärexperten Martin van Crefeld, explizit prognostiziert wurde: Auf die Minute pünktlich bei Scharons Gespräch mit US-Präsident Bush, der daraufhin überhaupt keine Schwierigkeiten hatte, dem israelischen Regierungschef erneut "grünes Licht" für eine Ausdehnung der militärischen Operationen zur "Eindämmung des palästinensischen Terrors" zu geben. So hieß es am 9. Mai in der israelischen Tageszeitung Ha'aretz in einem Beitrag des Militärkommentators Ze'ev Schiff: "Es ist klar, daß es bei einer großangelegten Militäroperation [als Vergeltung für den jüngsten Terroranschlag] in den größeren Bevölkerungszentren des Gazastreifens zu heftigen Schußwechseln und schweren Verlusten auf beiden Seiten kommen wird - vor allem auf Seiten der palästinensischen Zivilbevölkerung". /font>

Denn anders als im Westjordanland mit seinen relativ kleinen Flüchtlingslagern (in Dschenin lebten 13 000 Menschen) wohnen in den fünf großen Flüchtlingslagern des Gazastreifens jeweils an die 100 000 Menschen. Jedes einzelne Lager ist größer als das Warschauer Getto, in dem 60 000 Menschen lebten, als es im April/Mai 1943 von den Nazis zerstört wurde. Unheilverkündend ist auch, daß der kürzliche Selbstmordanschlag nicht nur in der israelischen Öffentlichkeit die Zustimmung für ein brutales militärisches Vorgehen gegen die Palästinenser erhöht hat, sondern daß auch wieder Forderungen nach einem "Transfer" laut werden - die israelische Version der "ethnischen Säuberungen". In diese Richtung geht auch Scharons Konzept einer "endgültigen Lösung": die Vertreibung von drei Millionen Palästinensern nach Jordanien und Ägypten. 

Diese sich Ende der letzten Woche abzeichnende dramatische Eskalation hat offenbar dazu geführt, daß Scharon bzw. Bush massiv unter internationalen Druck kamen. Neben der Intervention arabischer und europäischer Regierungen hat vor allem die eindrucksvolle Demonstration der israelischen Friedensbewegung dazu beigetragen, daß der für Sonntag geplante Einmarsch der israelischen Armee in den Gazastreifen unterblieb. Doch ist die Eskalationsgefahr noch längst nicht gebannt. Möglicherweise hat sich für Washingtons "Utopier" die Nützlichkeit Scharons bereits erschöpft; es ist kein Geheimnis, daß die angloamerikanischen Kreise, die aus geo- (und finanz-)strategischen Gründen möglichst bald den Irak militärisch angreifen wollen, um so den von ihnen langersehnten großen "Krieg der Zivilisationen" auszulösen, derzeit Scharons Likud-Gegenspieler Netanjahu bevorzugen. Dazu paßt auch, daß Netanjahu sich soeben innerhalb des Likud mit seiner radikalen Haltung durchgesetzt hat, den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat zu verweigern, so daß Scharon jetzt auch in Israel zwischen allen Stühlen sitzt. Aber genau das macht die Lage im Nahen Osten so explosiv. 


 

http://www.bueso.de/nrw/Aktuelles/1505hamas.htm