Irak: Behauptungen und Realität
Ron Paul, republikanischer Kongressabgeordneter aus Texas Der Texaner Dr. Ron Paul, Mitglied der Partei des Präsidenten und aus demselben Bundesstaat wie dieser stammend, gehörte zu jener Minderheit der US-Abgeordneten, die die Forderung Bushs nach einer Art präventiver Kriegsermächtigung ablehnten. Wir bringen hier seine – von den Mainstream-Medien totgeschwiegene – Rede im Repräsentantenhaus vom 8. 10. 2002, da sie Legenden entgegentritt, die großenteils auch hierzulande im Schwange sind. Herr Vorsitzender, ich spreche mich gegen die vorliegende Resolution aus, die uns trotz aller gegenteiliger Behauptungen in einen Krieg mit dem Irak führen wird. Diese Resolution ist aber keine Kriegserklärung, und das ist ein wichtiger Punkt: Diese Resolution verlagert die in der Verfassung verankerte Autorität des Kongresses, Kriege zu erklären, auf die Exekutive. Diese Resolution sagt dem Präsidenten, dass er allein die Befugnis hat zu bestimmen, wann, wo, warum und wie der Krieg erklärt wird. Sie verlangt vom Präsidenten nur, uns ein paar Tage nach Beginn der Bombardierungen einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, um uns mitzuteilen, was vorgeht. Dies ist genau das, vor dem unsere Gründungsväter warnten, als sie unsere Regierungsform entwickelten: Die meisten von ihnen hatten gerade eine Monarchie hinter sich gelassen, in der die Macht, Krieg zu erklären, einem einzigen Individuum übertragen war. Genau das wollten sie am dringlichsten vermeiden. Es ist, wie James Madison im Jahre 1798 schrieb: «Die Verfassung geht von dem aus, was die Geschichte aller Regierungen zeigt, dass nämlich die Exekutive der Teil innerhalb der Gewaltenteilung ist, der am meisten an Krieg interessiert ist und am ehesten zu ihm neigt. Sie hat daher aus wohlüberlegter Sorge die Frage des Krieges der Legislative übertragen.» Einige, sogar einige in dieser Körperschaft, haben diese Forderung der Verfassung als einen Anachronismus und diejenigen, die darauf bestehen, dem rechtlichen Gründungsdokument dieses Landes zu folgen, als nicht ernst zu nehmen bezeichnet. Damit bin ich absolut nicht einverstanden. Herr Vorsitzender, in meinen jetzt über zwölf Jahren als föderativer Gesetzgeber habe ich ein besonderes Interesse an der Außenpolitik und besonders an der Politik des Mittleren Ostens entwickelt. In meiner Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für internationale Beziehungen hatte ich die Möglichkeit, Dutzende von Dokumenten zu überprüfen und an zahlreichen Hearings und wichtigen Sitzungen teilzunehmen, die sich sowohl mit dem Irak als auch mit Fragen des internationalen Terrorismus beschäftigten. Bereits 1997 und 1998 habe ich mich öffentlich gegen Maßnahmen der Clinton-Administration ausgesprochen, die uns meiner Meinung nach wieder einmal in die Richtung eines Krieges mit dem Irak führten. Ich glaube, dass der Ursprung unserer jetzigen Politik unglücklicherweise gerade in dieser Zeit liegt. Es sind ja zum Teil dieselben Stimmen, die damals forderten, die Clinton-Administration möge den Irak angreifen, und auch heute den Angriff der Bush-Administration auf den Irak verlangen. Es ist bedauerlich, dass diese Personen die Tragödie des 11. Septembers 2001 nutzen, um dahinter ihr schon seit Jahren gehegtes Verlangen zu verstecken, eine amerikanische Invasion des Irak zu erleben. Trotz aller Informationen, zu denen ich Zugang habe, bezweifele ich weiterhin, dass der Staat Irak eine ernsthafte und immanente terroristische Gefahr für die Vereinigten Staaten darstellt. Wenn ich von einer solchen Bedrohung überzeugt wäre, würde ich einen Krieg unterstützen, wie ich es mit meiner Unterstützung Präsident Bushs tat, als ich dafür stimmte, ihm sowohl die Autorität als auch die notwendigen finanziellen Mittel für den Krieg gegen den Terror zu gewähren. Herr Vorsitzender, betrachten sie einige der folgenden Behauptungen der Unterstützer dieser Resolution und vergleichen sie sie mit den folgenden Tatsachen: Behauptung
Realität
Behauptung
Realität
Behauptung
Realität
«Vor drei Jahren, während Iraks sechsmonatiger Okkupation Kuwaits, hatte es einen Aufschrei gegeben, als ein kuwaitisches Mädchen im Teenager-Alter vor dem Kongress eloquent und effektiv über irakische Abscheulichkeiten gegenüber neugeborenen Babys aussagte. Es stellte sich dann heraus, dass das Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington, Scheich Saud Nasir al- Sabah war und dass ihr Bericht über irakische Soldaten, die Babys aus Brutkästen herausschleuderten, sowohl von Journalisten als auch von Menschenrechtsgruppen als überzogen angegriffen wurde. (Scheich Saud wurde anschließend zum kuwaitischen Informationsminister ernannt und er war auch der Regierungsoffizielle, der die internationale Presse über den angeblich versuchten Mordanschlag gegen George Bush informierte.) Ein zweiter Vorfall ereignete sich im August 1991, als Kuwait eine spezielle Sitzung des UN-Sicherheitsrates herbeiführte, indem es behauptete, dass 12 irakische Wasserfahrzeuge, darunter ein Schnellboot, in einen Versuch verwickelt gewesen seien, die Insel Bubiyan anzugreifen, ein schon lange umstrittenes Territorium, das sich damals unter kuwaitischer Kontrolle befand. Der Sicherheitsrat kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die Iraker zwar provokativ gewesen seien, es aber keinen irakischen militärischen Angriff gegeben habe und die kuwaitische Regierung dies auch gewusst habe. Was wirklich stattgefunden hatte, war nicht mehr als eine Auseinandersetzung unter Schmugglern über Kriegsbeute in einer fast demilitarisierten Zone, die sich nach dem Golfkrieg zu einem illegalen Umschlagplatz für Alkohol, Munition und Vieh entwickelt hatte.» Bei verschiedenen Gelegenheiten hat also Kuwait über die Bedrohung aus dem Irak gelogen. Hersh fährt dann in seinem Artikel fort, zahlreiche andere Beispiele für kuwaitische Lügen gegenüber den USA und den Vereinten Nationen über den Irak aufzuführen. Hier noch ein gutes Hersh-Zitat: «Der Präsident stand mit seiner Vorsicht nicht alleine. Justizministerin Janet Reno hatte auch ihre Zweifel. ‹Die Justizministerin steht verschiedenen Aspekten der Sache weiterhin skeptisch gegenüber›, berichtete mir ein hoher Beamter aus dem Justizministerium Ende Juli, einen Monat nachdem die Bomben auf Bagdad geworfen wurden ... Zwei Wochen später brach quasi offener Krieg zwischen verschiedenen Gruppen in der Regierung wegen der Frage aus, wer was in Kuwait getan hatte. Jemand gab einem Reporter des Boston Globe Zugang zu einer geheimen CIA-Studie, die äußerst skeptisch gegenüber den kuwaitischen Behauptungen eines irakischen Attentatsversuches war. Die vom CIA-Antiterrorismuszentrum vorgelegte Studie legte nahe, dass Kuwait selbst das Drehbuch für die angebliche Verschwörung fabriziert haben könnte, um die ‹andauernde Bedrohung durch den Irak› gegenüber westlichen Interessen im Persischen Golf hochzuspielen. Weder die [New York] Times noch die [Washington] Post erwähnten besonders den Bericht des Globe, den ein Washingtoner Korrespondent namens Paul Quinn-Judge geschrieben hatte, obwohl die Story ganze Absätze der CIA-Studie zitierte. Die beiden führenden amerikanischen Zeitungen waren durch ihre Quellen auf ein anderes Gleis gesetzt worden.» Zumindest kann gesagt werden, dass die Anschuldigung gegen den Irak wegen der angeblichen Bombendrohung nicht überzeugend ist. Behauptung
Realität
«Aber im September 1988, einen Monat nach dem Ende des Krieges (zwischen Iran und Irak), verurteilte das Außenministerium plötzlich und in einer Form, die viele als sensationell empfanden, den Irak wegen des angeblichen Einsatzes chemischer Waffen gegen seine kurdische Bevölkerung. Dieser Vorfall kann nicht ohne den Hintergrund der irakischen Beziehungen mit den Kurden verstanden werden. ... Während des Krieges hatte es der Irak im Endeffekt mit zwei Feinden zu tun – dem Iran und Teilen seiner eigenen kurdischen Minderheit. Eine erhebliche Anzahl der Kurden hatte eine Revolte gegen Bagdad gestartet und dabei eine Zusammenarbeit mit Teheran begonnen. Sofort nach dem Ende des Krieges gegen den Iran erklärte der Irak seine Entschlossenheit, den kurdischen Aufstand zu zerschlagen. Er sandte republikanische Garden in das kurdische Gebiet und im Verlauf der Operation wurde – laut US-Außenministerium – Gas eingesetzt, mit dem Ergebnis, dass viele kurdische Zivilisten getötet wurden. Die irakische Regierung stritt ab, dass Gas verwendet worden war. Trotzdem blieb Minister Shultz bei den Anschuldigungen der USA, und der Kongress der USA beantragte unabhängig davon wirtschaftliche Sanktionen gegen Bagdad, weil es die Menschenrechte der Kurden verletze. Nachdem wir alle uns zugänglichen Beweise geprüft haben, finden wir es unmöglich, die Behauptung des Außenministeriums zu bestätigen, dass in diesem Fall Gas eingesetzt wurde. Zunächst einmal wurden niemals Opfer gezeigt. Internationale Hilfsorganisationen, die die Kurden untersuchten (in der Türkei, wo sie Asyl gesucht hatten), fanden keine solchen Opfer. Auch im Irak wurden nie welche gefunden. Die Behauptung beruht ausschließlich auf den Aussagen der Kurden, die die Grenze zur Türkei übertreten hatten, wo sie von Offiziellen des außenpolitischen Komitees des Kongresses befragt wurden ... Offensichtlich wurde der Kongress in seinem Bemühen, den Irak zu bestrafen, durch einen anderen Vorfall beeinflusst, der fünf Monate zuvor in einer anderen irakisch-kurdischen Stadt, Halabjah, geschehen war. Im März 1988 wurden die Kurden in Halabjah mit chemischen Waffen bombardiert, was zu vielen Todesfällen führte. Fotos der kurdischen Opfer waren in den internationalen Medien weit verbreitet. Irak wurde für den Angriff auf Halabjah verantwortlich gemacht, obwohl später herauskam, dass auch der Iran in dieser Operation chemische Waffen angewandt hatte und es wahrscheinlich erschien, dass in Wirklichkeit das iranische Bombardement die Kurden getötet hatte. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Kongress mehr auf der Basis von Emotionen als auf der tatsächlicher Information gehandelt hat und dazu mit ungenügender Berücksichtigung der nachteiligen diplomatischen Folgen seines Handelns.» Behauptung
Realität
Behauptung
Realität
«1986 beinhaltete eine Schiffsladung der American Type Culture Collection aus Virginia drei Arten Anthrax, drei Arten der Bakterie, die Botulinum-Gift produziert und drei Arten der Bakterie, die Gasbrand verursacht. Der Irak gab später gegenüber den Vereinten Nationen zu, aus allen dreien Waffen produziert zu haben.» Die CDC schickte in der Zwischenzeit ganze Schiffsladungen Bakterien an die irakische Atomenergiekommission und an andere Behörden, die mit den irakischen Programmen zur Produktion von Massenvernichtungswaffen beschäftigt waren. Wie die Akten zeigen, lieferte sie 1986 Probepackungen Botulinumtoxid und Botulinumtoxoid – ein Impfstoff gegen Botulinumtoxid – direkt an den irakischen chemischen und biologischen Waffenkomplex in al-Muthanna. Dies geschah zu einer Zeit, als die Vereinigten Staaten den Irak im Krieg gegen den Iran verdeckt unterstützten. Die US-Unterstützung für den Irak in diesem Krieg beinhaltete auch geheime Informationen über iranische Truppenbewegungen und andere Hilfe. Dies ist nur ein weiteres Beispiel für unsere interventionistische Politik in Angelegenheiten, die uns nichts angehen und dafür, wie dieser Interventionismus fast immer damit endet, dass den Vereinigten Staaten Schaden zugefügt wird. Behauptung
Realität
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Übersetzung: Jürgen Köster
Original auf der Homepage von Ron Paul: http://www.house.gov/paul/congrec/congrec2002/cr100802.htm
http://www.embargos.de/irak/irakkrieg2/statement/irak_behauptungen_paul.htm |