Berater eines Ölkonzerns zum amerikanischen Vertreter in Afghanistan ernannt

Von Partick Martin
8. Januar 2002
aus dem Amerikanischen (3. Januar 2002)
US-Präsident Bush hat einen ehemaligen Berater des amerikanischen Ölkonzerns Unocal, den in Afghanistan geborenen Salmaj Khalisad, zum Sonderbeauftragten für Afghanistan ernannt. Die Ernennung wurde am 31. Dezember bekannt gegeben, neun Tage nachdem die von den Vereinigten Staaten gestützte Übergangsregierung von Hamid Karsai ihr Amt in Kabul angetreten hatte.

Die Ernennung unterstreicht die wirklichen ökonomischen und finanziellen Interessen, die hinter der amerikanischen Militärintervention in Zentralasien stehen. Khalisad hat intime Kenntnis von den langjährigen amerikanischen Bemühungen, einen direkten Zugang zu den Öl- und Gasreserven in der Region zu erlangen. Die Energieressourcen Zentralasiens sind bislang kaum erschlossen, man vermutet dort aber die zweitgrößten Vorkommen weltweit, übertroffen nur vom Ölreichtum des Persischen Golfs.

Als Berater von Unocal erstellte Khalisad eine Risikoanalyse für eine geplante Gaspipeline, die von der ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan zum Indischen Ozean führen sollte. Er nahm 1997 an Gesprächen zwischen dem Ölkonzern und Taliban-Vertretern teil, die das Ziel hatten, ein 1995 getroffenes Abkommen in Kraft zu setzen, dem zufolge die Pipeline durch Westafghanistan verlaufen sollte.

Unocal war der führende Konzern bei der Errichtung des Centgas-Konsortiums, dessen Zweck darin bestand, das Gas der Dauletabad-Feldern in Südostturkmenistan, die zu den größten der Welt zählen, dem Weltmarkt zuzuführen. Das mit zwei Milliarden Dollar veranschlagte Projekt beinhaltete den Bau einer Pipeline mit einem Durchmesser von 1,20 Meter, die von der afghanisch-turkmenischen Grenze über die afghanischen Städte Herat und Kandahar und die pakistanische Stadt Quetta verlaufen und schließlich bei Multan mit bereits existierenden Pipelines verbunden werden sollte. Eine zusätzliche Erweiterung nach Indien zum Preis von 600 Millionen Dollar war im Gespräch.

Khalisad setzte sich auch öffentlich für eine wohlwollendere Politik der amerikanischen Regierung gegenüber den Taliban ein. Vor vier Jahren verteidigte er in einem Artikel in der Washington Post das Taliban-Regime gegen den Vorwurf, dass es den Terrorismus fördere. Er schrieb: "Die Taliban praktizieren nicht die antiamerikanische Spielart des Fundamentalismus, wie sie vom Iran betrieben wird."

"Wir sollten... bereit sein, Anerkennung und humanitären Beistand anzubieten und für den internationalen Wiederaufbau der Wirtschaft zu werben", erklärte er. "Es wird Zeit, dass die Vereinigten Staaten wieder Beziehungen aufnehmen" mit dem afghanischen Regime. Diese "Wiederaufnahme der Beziehungen" wäre für Unocal selbstverständlich äußerst profitabel gewesen, da der Ölkonzern ansonsten das Gas und Öl aus dem von Landmassen umschlossenen Turkmenistan nicht auf die Märkte transportieren könnte.

Khalisad rückte von seiner Haltung gegenüber den Taliban erst ab, nachdem die Clinton-Regierung im August 1998 Ziele in Afghanistan mit Marschflugkörpern beschossen hatte und behauptete, dass Terroristen unter der Führung des in Afghanistan ansässigen Osama bin Laden für die Bombenanschläge auf amerikanische Botschaften in Kenia und Tansania verantwortlich seien. Einen Tag nach diesen Angriffen legte Unocal das Projekt Centgas auf Eis, und zwei Monate später gab der Konzern alle Pläne für eine Pipeline durch Afghanistan auf. Die Ölkreise begannen sich um ein Afghanistan nach der Taliban-Herrschaft zu kümmern, wie auch ihre Vertreter im nationalen Sicherheitsapparat Amerikas.

Verbindung zu islamischen Guerillakämpfern

Khalisad, der 1951 in Masar-i-Scharif geboren wurde, entstammt der alten herrschenden Elite Afghanistans. Sein Vater war Berater des Königs Sahir Schah, der das Land bis 1973 regierte. Als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschierte, studierte Khalisad an der Universität von Chicago, einem intellektuellen Zentrum der amerikanischen Rechten.

Khalisad nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und diente als Verbindungsglied zwischen dem US-Imperialismus und den islamisch-fundamentalistischen Mudschaheddin, die das von der Sowjetunion gestützte Regime in Kabul bekämpften und das Milieu bildeten, aus dem später sowohl die Taliban als auch bin Ladens Al Qaida hervorgingen. Während der Regierungszeit Reagans war Khalisad Sonderberater des amerikanischen Außenministeriums und setzte sich erfolgreich für eine verstärkte Militärhilfe der USA zugunsten der Mudschaheddin ein, unter anderem für die Lieferung der Stinger-Luftabwehrraketen, die eine Schlüsselrolle im Krieg spielten. Er wurde später, während des amerikanischen Kriegs gegen den Irak, Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Bushs Vater und wechselte dann zur Rand Corporation, einem höchst einflussreichen Think Tank des amerikanischen Militärs.

Nachdem George W. Bush vom Obersten Gerichtshof der USA mit einer Mehrheit von fünf zu vier Stimmen als Präsident eingesetzt worden war, stand Khalisad dem Team vor, das die Übernahme des Verteidigungsministeriums durch die Regierung Bush vorbereitete, und beriet den zukünftigen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Bezeichnenderweise wurde ihm allerdings kein unterer Posten im Kabinett gegeben, was eine Bestätigung durch den Senat erforderlich gemacht und eventuell unangenehme Fragen über seine Rolle als Berater der Ölkonzerne in Zentralasien und Zwischenhändler bei den Taliban hervorgerufen hätte. Stattdessen wurde er zum Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats ernannt, wozu keine weitere Zustimmung anderer Instanzen notwendig ist.

Als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats ist Khalisad der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice unterstellt, die selbst bereits für einen Ölkonzern als Beraterin in zentralasiatischen Fragen gearbeitet hat. Nachdem sie von 1989 bis 1992 in der Regierung von Bush Senior tätig gewesen war, erhielt Rice einen Vorstandsposten beim Ölkonzern Chevron und diente dort als führende Expertin für Kasachstan, wo Chevron von allen internationalen Ölkonzernen die größten Konzessionen besitzt. Die Verbindungen von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney zur Ölindustrie sind weithin bekannt, aber in den Medien wird kaum erwähnt, welche herausragende Rolle jene Regierungsvertreter in der afghanischen Politik spielten, die die Ölindustrie in zentralasiatischen Angelegenheiten beraten haben.

Einer der wenigen Kommentare in den amerikanischen Medien über diesen Aspekt der US-Militärkampagne erschien im San Francisco Chronicle am 26. September vergangenen Jahres. Redakteur Frank Viviano bemerkte: "Die verdeckten Interessen im Krieg gegen den Terrorismus können in einem einzigen Wort zusammengefasst werden: Öl. Die Landkarte mit den Zufluchtsstätten der Terroristen und Zielen im Mittleren Osten und Zentralasien ist gleichzeitig in außergewöhnlicher Übereinstimmung die Karte der Hauptenergiereserven der Welt im 21. Jahrhundert.... Unvermeidlich wird der Krieg gegen den Terrorismus von vielen als Krieg verstanden werden, der im Interesse der amerikanischen Konzerne Chevron, Exxon und Arco, des französischen Konzerns TotalFinaElf, der British Petroleum, der Royal Dutch Shell und anderer multinationaler Giganten geführt wird, die Hunderte Milliarden Dollar in der Region investiert haben."

Schweigen in den Medien

Diese Wirklichkeit ist im offiziellen Washington wohlbekannt, aber die wichtigsten und von den Konzernen kontrollierten Medien - die Fernsehanstalten und die überregionalen Tageszeitungen - bewahren ein Schweigen, das man als vorsätzliche und politisch motivierte Selbstzensur bezeichnen muss.

Die einzige Ausnahme in jüngster Zeit war ein Artikel, der am 15. Dezember im Wirtschaftsteil der New York Times erschien und die Überschrift trug: "Nachdem der Krieg die Allianzen verschoben hat, folgen die Ölgeschäfte". Die Times berichtete: "Das Außenministerium erkundet für die Zeit nach den Taliban das Potential für Energieprojekte in der Region, in der mehr als sechs Prozent der nachgewiesenen weltweiten Erdöl- und beinahe 40 Prozent der Erdgasreserven lagern."

Die Times merkt an, dass Anfang Dezember bei einem Besuch in Kasachstan "Außenminister Colin L. Powell sagte, er sei ‚besonders beeindruckt‘ von dem Geld, das amerikanische Ölkonzerne hier investierten. Er schätzte, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren 200 Milliarden Dollar nach Kasachstan fließen könnten."

Energieminister Spencer Abraham unterstützte ebenfalls die amerikanischen Ölinvestitionen in der Region während eines Besuchs in Russland im November, bei dem er von David J. O'Reilly, dem Vorstandsvorsitzenden von ChevronTexaco, begleitet wurde.

Auch Verteidigungsminister Rumsfeld spielte eine Rolle in den anhaltenden Manövern um Ölpipelines. Während seines Besuchs am 14. Dezember in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku sicherte er Vertretern dieses ölreichen Staats am Kaspischen Meer zu, dass die amerikanische Regierung die Sanktionen aufheben werde, die 1992 wegen Aserbaidschans Konflikt mit Armenien um die Enklave Bergkarabach verhängt worden waren.

Aserbaidschan und Armenien haben sich beide dem militärischen Vorstoß der Vereinigten Staaten nach Zentralasien gefügt und dem Pentagon Passierrechte und die Benutzung von Flughäfen angeboten. Rumsfelds Besuch und seine versöhnlichen Bemerkungen waren die Belohnung dafür. Rumsfeld sagte gegenüber Präsident Hajdar Alijew, dass die amerikanische Regierung mit den Kongressführern übereingekommen sei, auf die Sanktionen zu verzichten.

Am 28. November gab das Weiße Haus eine Stellungnahme heraus, in der die offizielle Eröffnung der ersten neuen Pipeline durch das Kaspische Pipeline Konsortium (CPC) begrüßt wurde, einem Joint Venture von Russland, Kasachstan, Oman, ChevronTexaco, ExxonMobil und sieben anderen Ölkonzernen. Die Pipeline verbindet die riesigen Tengiz-Ölfelder in Nordwestkasachstan mit dem russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk, von wo aus Tanker das Öl dem Weltmarkt zuführen. Amerikanische Konzerne übernahmen eine Milliarde der sich insgesamt auf 2,65 Milliarden Dollar belaufenden Baukosten.

In der Stellungnahme von Bush heißt es: "Das Projekt der CPC befördert auch die nationale Energiepolitik meiner Regierung, indem ein Netz verschiedener Pipelines im Kaspischen Raum entwickelt wird, zu dem auch die Ölpipelines Baku-Tiblis-Ceyhan, Baku-Supsa und Baku-Noworossisk sowie die Gaspipeline Baku-Tiblis-Erzurum gehören."

Die amerikanische Presse ist auf diese Erklärung kaum eingegangen. Ebenso wenig widmeten sich die Medien der Tatsache, dass das Pipeline-Konsortium, das den Baku-Ceyhan-Plan verfolgt und vom britischen Ölkonzern BP angeführt wird, in juristischen Fragen vom Unternehmen Baker & Botts vertreten wird. Der führende Anwalt dieses Unternehmens ist James Baker III, der unter Bushs Vater Außenminister war sowie als Hauptsprecher für Bush im Wahlkampf 2000 auftrat. Während dieser Kampagne wurde erfolgreich die Neuauszählung der Stimmen im Bundesstaat Florida unterbunden.
 
 

http://wsws.org/de/2002/jan2002/oel-j08.shtml