Hintergrundinformation zur Israelisch-Palästinensischen Krise in Frage u. Antwort

von Stephen R. Shalom

Der Autor, Stephen R. Shalom, lehrt an der William Paterson University / USA Politikwissenschaft u. ist Autor des bei 'South End Press' erschienenen Buchs: 'Imperial Alibis'

 
 
 

Frage: Was sind die Wurzeln des Israelisch-Palästinensischen Konflikts hinsichtlich der jüngeren Geschichte?

Antwort: Während des 1. Weltkriegs machte Großbritannien drei sich ausschließende Versprechungen in Bezug auf das historische Palästina: erstens wurde den Arabischen Führern die Unabhängigkeit des Landes versprochen; den Juden machte man andererseits mit der sogenannten 'Balfour-Erklärung' Hoffnung auf eine 'nationale jüdische Heimstätte' in Palästina, und drittens schmiedete Großbritannien mit seinen Verbündeten insgeheim Pläne, das ehemalige Ottomanische Reich unter sich aufzuteilen, wobei Palästina dem Britischen Empire zugeschlagen werden sollte.

Historiker haben die diesbezüglich relevanten Texte u. Landkarten eingehend studiert (u. kommen zu unterschiedlichen Auffassungen.) Fest steht allerdings - und das ist die Hauptsache -, daß Großbritannien in moralischer Hinsicht kein Recht hatte, Palästina irgendwem zuzusprechen: vom rechtlichen Standpunkt aus gehörte Palästina nämlich seinen Einwohnern.

Im späten 19. Jahrhundert wurde das Problem des Antisemitismus in Rußland immer virulenter u. auch in Frankreich tauchte es erneut auf. Einige Juden entwickelten hierauf die Idee des 'Zionismus', weil sie glaubten, daß man als Jude letztendlich nur in seinem eigenen 'jüdischen Staat' dauerhaft sicher leben konnte. Die meisten Juden jener Zeit lehnten den Zionismus allerdings ab u. wandten sich in ihrem Kampf gegen Antisemitismus lieber revolutionären oder reformistischen (politischen) Tendenzen zu oder aber sie assimilierten sich. Außerdem waren viele gerade orthodoxe Juden (und unter ihnen vor allem auch die kleine Gruppe der jüdischen Einwohner Palästinas) der Auffassung, ein 'Judenstaat' könne nicht durch Menschenhand geschaffen werden - das sei allein Gottes Sache.

Die Zionisten zogen zunächst auch andere Weltgegenden für ihren zukünftigen 'Judenstaat' in Betracht, kamen aber aus biblischen Erwägungen heraus wieder auf Palästina zurück. Das Problem: obwohl die Zionisten den Slogan prägten: 'Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land' war d i e s e s Land (Palästina) alles andere als leer.

Nach Ende des 1. Weltkriegs setzte Großbritannien im 'Völkerbund' die Ver- fügung durch, daß Palästina zu einem britischen 'Mandat' zu erklären sei (was bedeutet: eine Kolonie, die von Großbritannien verwaltet u. auf ihre Unabhängigkeit vorbereitet wird). Um seine Herrschaft über Arabisches Territorium zu rechtfertigen, ging England zudem die Verpflichtung ein, u. a. auch die Gründung einer 'nationalen jüdischen Heimstätte' voranzutreiben.

Frage: Wer waren die Juden, die (ursprünglich) nach Palästina kamen?

Antwort: Die ersten Zionistischen Siedler waren idealistische, oft sozialistisch geprägte Menschen, die vor Unterdrückung geflohen waren. In dieser Hinsicht sind sie den ersten Kolonialisten Amerikas nicht unähnlich. Aber ebenso wie diese hegten auch viele der frühen Zionisten rassistische Vorurteile gegenüber den Einheimischen u. verhielten sich deren Interessen gegenüber nicht gerade rücksichtsvoll.!1

Aber es gab auch Zionisten, die an eine arabisch-jüdische Kooperation (in Palästina) glaubten u. die für einen bi-nationalen Staat eintraten. Die meisten aber favorisierten einen ausschließlich jüdischen Staat (den sie jedoch zunächst als 'nationale jüdische Heimstätte' deklarierten - um nämlich die Palästinenser nicht gegen sich aufzubringen. Erst als genug Juden im Land waren, (wurde der Staatsbegriff geprägt.)).

Die Immigration von Juden nach Palästina war bis in die 30ger Jahre des 20sten Jahrhunderts hinein relativ eingeschränkt. Das änderte sich mit der Macht- ergreifung Hitlers in Deutschland. England u. die USA wollten die verzweifelten Juden nämlich nicht im Land haben, so daß Palästina zu einer der wenigen Ausreiseoptionen (für diese Juden) wurde.

Frage: Wer waren die ursprünglichen (einheimischen) Einwohner Palästinas?

Antwort: Pro-Israelische Propaganda hat schon immer gerne behauptet, die meisten Palästinenser seien erst ab 1917 ins Land gekommen - angelockt durch den wirtschaftlichen Aufschwung der wachsenden Jüdischen Gemeinde in Palästina nämlich -, und daß die P. daher keinerlei Anrecht auf das Land hätten. Dieses Argument wurde u.a. auch in Joan Peters Buch: 'From Time Immemorial' herausgearbeitet, das große Verbreitung gefunden hat. Inzwischen haben sich allerdings viele Behauptungen im Buch als falsch herausgestellt - insbesondere obiges Argument.2

Die ursprünglichen Einwohner Palästinas waren größtenteils Muslime, eine Minderheit war christlich, eine weitere kleinere Minderheit war jüdischen Glaubens. Als die europäischen Zionisten ins Land geströmt kamen, entwickelten die Muslime u. Christen eine klare palästinensisch-nationale Identität.

Frage: Wie sind die Zionisten an palästinensisches Land gekommen?

Antwort: Einiges an Land wurde (von den Zionisten) illegal in Besitz genommen. Das Übrige wurde arabischen Großgrundbesitzern abgekauft. Das Geld hierzu stellten reiche europäische Juden zur Verfügung. Aber selbst dieser legal erworbene Besitz ist noch moralisch fragwürdig, da diese Ländereien oftmals im Ausland lebenden Besitzern abgekauft worden waren; die armen arabischen Bauern, (die das Land bebaut hatten) verjagte man oft einfach.

Das auf diese Weise (in Palästina) erworbene Land wurde anschließend dem 'Jüdischen Nationalfond' einverleibt, so daß es nie mehr an Araber verkauft oder verpachtet werden konnte. Aber trotz all dieser Aufkäufe waren die Juden noch 1947 lediglich im Besitz von etwa 6 Prozent des (palästinensischen) Landes.

Frage: War die Ablehnung des Zionismus durch die Palästinenser nicht doch Ausdruck ihres Antisemitismus?

Antwort: In der Arabischen Welt spielte der Antisemitismus von jeher eine wesentlich geringere Rolle als in Europa. Vor der Zionistischen Immigrationsbewegung waren die Beziehungen zwischen den verschiedenen Religionsgruppen in Palästina relativ harmonisch gewesen. Natürlich gab es auch in Palästina antisemitische Ressentiments, aber andererseits: welches Volk würde es schon begrüßen, daß ein anderes Volk in sein Land einreist, um dort einen eigenen souveränen Staat zu errichten? Die Vertreibung (palästinensischer) Bauern von ihrem Land sowie die Weigerung vieler Zionisten, Araber zu beschäftigen, trug weiter zu einer Verschlechterung des Klimas bei.

Frage: Welche Rolle spielte der 2. Weltkrieg für die Palästina-Frage?

Antwort: Als der 2. Weltkriegs heraufzog, glaubte Großbritannien verrückterweise, zwar die Juden (politisch) vernachlässigen zu können (die würden ja schließlich nicht zu Hitler überlaufen), keineswegs jedoch die Araber - dito ließ England kaum noch Juden nach Palästina einreisen. Dies passierte genau in jenem Moment (der Geschichte), als die Juden Europas das sichere Palästinensische Asyl am dringendsten gebraucht hätten. Viele Juden schafften es aber trotzdem, heimlich einzureisen. Die USA u. viele andere Länder hatten ihre Grenzen für die verzweifelten (jüdischen) Flüchtlinge hingegen praktisch dichtgemacht.

Nach Ende des Kriegs - wie das ganze schreckliche Ausmaß des 'Holocausts' endlich sichtbar wurde -, entwickelte sich der Zionismus in der internationalen jüdischen Gemeinschaft erstmals zur Massenbewegung. Auch viele christliche Amerikaner unterstützten jetzt den Z.- um einerseits nämlich ihr schlechtes Gewissen (gegenüber den Juden) zu beruhigen u. um andererseits nicht noch mehr Juden ins Land (USA) lassen zu müssen.

Und die Zionisten in den USA (sie hatten während des 2. Weltkriegs ja die Rettung der europäischen Juden dem Ziel der Errichtung eines jüdischen Staats untergeordnet 3), argumentierten jetzt plötzlich: der 'Holocaust' hat eindeutig bewiesen, wie notwendig ein 'jüdischer Staat' ist, denn: hätte es Israel bereits 1939 gegeben, wären Millionen Juden gerettet worden. Tatsache ist allerdings, daß Palästina (während des Kriegs) nur knapp einer Invasion durch die Nazis entging, folglich wären die Juden in den USA weit sicherer aufgehoben gewesen als in einem jüdischen Staat Palästina.

Während des Kriegs hatten sich viele Juden in Palästina der Britischen Armee angeschlossen. Auf diese Weise war die jüdische Gemeinschaft nach dem Krieg gut bewaffnet u. (militärisch) bestens organisiert; außerdem war sie äußerst kampfentschlossen. Die Palästinenser hingegen waren kaum bewaffnet u. standen noch unter der Knute ihrer Feudalherren.

Der Mufti von Jerusalem war von den Briten ins Exil geschickt worden, da er zwischen 1936 u. 1939 einen Araberaufstand unterstützt hatte. Während des Kriegs war er nach Berlin gekommen u. ließ sich dort vor den Propaganda-Karren der Nazis spannen. Für die Zionisten stellte die extremistische Haltung des Mufti einen Gewinn dar - zumal er ja als Führer der Palästineser betrachtet wurde. Wie hat es David Ben Gurion, der Führer der Jüdischen Gemeinde in Palästina u. spätere erste Premierminister Israels damals (1938) ausgedrückt: "Verlaßt euch nur ganz auf den Mufti!"4

Frage: Welche unterschiedlichen (politischen) Positionen gab es 1947?

Antwort: Den Palästinensern wie Zionisten war eines gemeinsam: sie wollten die Briten aus dem Land haben, um endlich ihren eigenen Staat errichten zu können. Die Zionisten - und unter ihnen vor allem eine rechte Gruppierung unter Führung Menachem Begins -, initiierten daher eine Terrorkampagne gegen die Briten. Großbritannien war infolge des Kriegs verschuldet u. nicht in der Lage, sich effektiv zu verteidigen. Aus diesem Grund wollte es jetzt die Verantwortung für das Palästina-Problem auf die UNO abwälzen (allerdings hatte England auch Geheimpläne, um seine Macht in der Region doch noch sichern zu können).

Die Zionisten stellten sich auf den Standpunkt: wir Juden haben eine der größten Katastrophen der modernen Geschichte durchlitten - folglich haben wir jetzt ein Anrecht auf unseren eigenen Staat. Und in diesen Staat sollten auch all diejenigen jüdischen Flüchtlinge integriert werden, die bislang noch in den Flüchtlingslagern ('displaced persons camps') Europas schmachten mußten. Die Grundforderung der Zionisten war ein souveräner Staat, mit absoluter Selbstbestimmung in Immigrationsfragen. Die Palästinenser hingegen argumentierten, daß die Katastrophe der europäischen Juden schließlich nicht ihr Problem sei. Wenn die Juden tatsächlich das Recht auf einen eigenen Staat hätten, so sollten sie ihn sich doch gefälligst aus Deutschland herausschneiden. Schließlich hatte Palästina mehr jüdische Flüchtlinge aufgenommen als irgendein anderes Land sonst auf der Welt. Warum also sollten die Palästinenser die ganze Sünden-Bürde Europas auf sich nehmen? In einem künftigen souveränen Staat Palästina (so weit ging das Angebot der Palästinenser jedoch) sollte der jüdischen Minderheit volles Bürgerrecht gewährt werden (aber kein Recht auf nationale Selbstbestimmung). Auch sollten die Juden nicht über Immigrationsfragen zu bestimmen haben - weil sie dann, so die Befürchtung, so lange jüdische Glaubensgenossen ins Land holen würden, bis die Juden die Majorität stellten u. den Staat folglich übernehmen könnten.

Eine kleine Gruppe Links-Orientierter unter den Zionisten sprach sich für einen bi-nationalen Staat Palästina aus. In diesem Staat sollten beide Gruppen als gleichberechtigte nationale Volksgruppen zusammenleben. Diese Haltung fand nur wenig Anhängerschaft - sowohl unter den Juden als auch den Palästinensern.

Frage: Was hat die UNO getan, u. warum?

Antwort: Im November 1947 beschloß die UNO-Vollversammlung, Palästina in zwei un- abhängige Staaten aufzuteilen: in einen Jüdischen u. in einen Arabischen Staat. Beide Staaten sollten eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden; Jerusalem sollte unter internationale Kontrolle gestellt werden.

Die Situation damals: die UNO hatte wesentlich weniger Mitglieder als heute, da die meisten sogenannten 'Dritte-Welt-Länder' damals ja noch Kolonien waren u. folglich keine Mitglieder der UN. Dennoch kam die Teilungsentscheidung bzgl. Palästina nur zustande, weil auch die Sowjetunion u. ihre Verbündeten dem Plan zustimmten u. weil man vorher verschiedene kleinere Länder (der UN) unter unzulässigen Druck gesetzt hatte.

So machten US-Kongress-Abgeordnete z.B. der Philippinischen Regierung unmißverständlich klar, ihr Land würde keine US-Wirtschaftshilfe (mehr) erhalten, sollte sie nicht für die Teilung stimmen. Moskau versprach sich von der Teilung Palästinas einen reduzierten Einfluß der Briten auf Nahost. Außerdem wurde (ein zukünftiges) Israel potentiell als weniger pro-westlich eingestuft als die starken Feudalmonarchien in der Region.

Frage: Aber hatten die Palästinenser 1947 nicht doch die Chance auf einen eigenen Staat u. haben sie diese Chance nicht dadurch verspielt, daß sie mit Israel Krieg angefangen haben?

Antwort: Noch 1947 machten die Juden lediglich ein Drittel der Bevölkerung Palästinas aus, das über 6 Prozent des Landes verfügte. Der Teilungsplan sah jedoch vor, daß der zukünftige jüdische Staat 55 Prozent des Gesamt-Territoriums erhalten sollte. Für die Bevölkerungsverteilung hätte dies folgendes bedeutet: der arabische Staat Palästina würde aus einer überwiegend arabischen Bevölkerung bestanden haben, wohingegen die Einwohnerschaft des jüdischen Staats fast zu gleichen Teilen aus Arabischstämmigen (Palästinenser) u. Juden bestanden hätte. Wenn also die Vorstellung, daß die 1/3 Minderheit der Juden in einem Araberstaat Palästina leben sollte, als 'ungerecht' empfunden wurde, so war es doch mindestens ebenso unfair, von den Arabern (in Palästina) zu erwarten, als fast 50 prozentige 'Minderheit' in einem 'jüdischen Staat' zu leben.

Die Palästinenser lehnten den Teilungsplan ab. Die Zionisten akzeptierten den Plan zwar, im Geheimen hatten deren Führer jedoch längst weitergehende Ziele anvisiert. 1938, als es schon andere Teilungspläne gegeben hatte, sagte Ben Gurion: "Wenn wir nach Staatsgründung erst zu einer starken Macht geworden sind, werden wir die Teilung wieder abschaffen u. uns in ganz Palästina ausbreiten". 5

Der Mufti rief die Palästinenser zum Krieg gegen den Teilungsplan auf, aber nur sehr wenige waren bereit, ihm zu folgen. "Die große Mehrheit" der Palästinenser, so Ben Gurion vertraulich, "wollen nicht gegen uns kämpfen". Die Mehrheit "akzeptiert die Teilung als ein 'Fait accompli'", so ein Zionistischer Experte für Arabische Angelegenheiten damals.

Anders als der Araberaufstand 1936-1939 gegen die Briten, der die Massen ja mobilisiert hatte, fanden die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Mufti u. der Zionistischen Armee wenig Rückhalt in der Bevölkerung (Palästinas).6

Aber selbst wenn es tatsächlich anders gewesen wäre u. die palästinensische Bevölkerung geschlossen gegen den Teilungsplan in den Krieg gezogen wäre, so stellte dies noch lange keine moralische Rechtfertigung dafür dar, den Pa- lästinensern noch über 50 Jahre später ihr Grundrecht auf Selbstbestimmung vorzuenthalten. Denn 'Selbstbestimmung' ist ja nicht Teil dieses oder jenes Vertrags, vielmehr, wie gesagt, ein Grundrecht, auf das jede Person Anrecht hat (zudem: die Bürger Israels verlieren ihr Selbstbestimmungsrecht ja auch nicht dadurch, daß ihre Regierungen zahllose UN-Waffenstillstands-Resolutionen mißachtet haben).

Frage: War es nicht so, daß Israel größer wurde, weil es seine Grenzen 1948 in einem rein defensiven Unabhängigkeitskrieg erweitern konnte?

Antwort: Nachdem Israel sich unabhängig erklärt hatte, überschritten am 15. Mai 1948 die Arabische Armeen seine Grenzen. Aber: die Unabhängigkeitserklärung Israels erfolgte 3 1/2 Monate vor dem im offiziellen Teilungsplan vorgesehenen Datum. Die Amerikaner hatten einen dreimonatigen Waffenstillstand vorgeschlagen; im Gegenzug sollte Israel seine Unabhängigkeit verschieben.

Die Araber stimmten dem zu, aber Israel hatte abgelehnt (wohl auch, weil es mit dem Jordanischen Herrscher, König Abdullah, ein geheimes Abkommen getroffen hatte, demgemäß Abdullahs 'Arabische Legion' in den arabischen Teil Palästinas einmarschieren sollte (der als zukünftiger Palästinenserstaat designiert war). Den jüdischen Staat sollte Jordanien verschonen. Da Jordanien damals treuer Verbündeter Großbritanniens war, kam diese Regelung auch London sehr zustatten: es hätte auf diese Weise seinen Einfluß in der Region behalten können). Die andern Arabischen Staaten griffen den neugegründeten Staat Israel daher also nicht nur deshalb an, um ihm eine schwere Niederlage beizubringen, sondern wohl auch, um König Abdullahs Pläne durchkreuzen zu können.7

Die meisten Kämpfe während des Kriegs fanden ja auf dem Territorium des arabischen Palästina sowie auf dem des internationalisierten Jerusalem statt. Israel kämpfte daher keineswegs primär ums Überleben, sondern war sogar noch in der Lage, seine Grenzen zu erweitern (auf Kosten der Palästinenser).

Fast während des gesamten Kriegs war Israel sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht die überlegene Partei - und das ganz abgesehen davon, daß die Arabischen Armeen unkoordiniert agierten u. sich oft gegenseitig behinderten.8 Als es 1949 schließlich zu einem Waffenstillstand kam, hatte der palästinensische Staat faktisch aufgehört zu existieren; sein Territorium war aufgeteilt zwischen Israel u. Jordanien, der Gazastreifen wurde von Ägypten kontrolliert.

Jerusalem, eigentlich internationaler Kontrolle unterstellt, wurde zwischen Israel u. Jordanien aufgeteilt. Israel besaß jetzt auf einen Schlag 78 Prozent des Territoriums Palästinas. Ungefähr 700 000 Palästinenser wurden vertrieben.

Frage: Warum wurden die Palästinenser 1948 überhaupt zu Flüchtlingen?

Antwort: Israelische Regierungen behaupten immer wieder, die Palästinenser hätten Palästina damals freiwillig verlassen. Sie wären dazu mittels Radioaufrufen animiert worden - durch die Führer der Arabischen Welt nämlich, die auf diese Weise den Weg freimachen wollten für ihre vorrückenden Armeen.

Aber Radiosendungen (in Palästina) standen damals ja noch unter Aufsicht der Britischen bzw. Amerikanischen Regierung, u. es gibt keine Beweise für eine Generalorder zur Flucht an die Palästinenser. Eher schon ist das Gegenteil der Fall: immer wieder riefen Arabische Führer die Palästinenser ja dazu auf, tunlichst im Land zu bleiben - um nämlich ihren Anspruch auf das Territorium nicht zu verlieren.9

In Kriegszeiten gibt es immer verschiedene Gründe, warum Menschen fliehen - so sicher auch in diesem Fall. Einige Palästinenser sind wohl geflohen, weil Kriegsgebiete grundsätzlich gefährliche Aufenthaltsorte sind. Aber einige flohen auch vor Zionistischen Greueln; eines der schlimmsten wurde 1948 in Deir Yassin verübt, wo 254 wehrlose Zivilisten einfach hingeschlachtet wurden. Viele Palästinenser flohen in Panik, wobei manchmal auch 'psychologische Kriegsführung' vonseiten der Zionisten eine Rolle gespielt haben mag. So warnte man die Leute beispielsweise, es könne ihnen ergehen wie denen in Deir Yassin. Manche Palästinenser vertrieb man aber auch mit brutaler Waffengewalt - wobei Menschen nur deshalb erschossen wurden, damit die andern umso schneller rannten (so geschehen in den Städten Ramle u. Lydda).10

Es gibt heutzutage keinen ernsthaften Zweifel mehr daran, daß viele der palästinensischen Flüchtlinge damals mit Gewalt vertrieben worden sind. Die genaue Zahl derer, die richtiggehend vertrieben wurden - versus derer, die einfach nur in kopfloser Panik flohen oder einen sicheren Ort zum Leben suchten -, ist allerdings umstritten. Andererseits: allein die Tatsache, daß keinem von ihnen vonseiten der Israelischen Regierung je die Erlaubnis zur Rückkehr erteilt wurde, beweist schon, daß sie allesamt Opfer einer 'ethnischen Säuberung' waren (zum Vergleich: im Fall Kosovo wurde jedem Albanischen Flüchtling ein Rückkehrrecht zugestanden - ganz gleich, ob er/sie nun tatsächlich mit Waffengewalt vertrieben worden war oder nur in Panik geflohen bzw. weggezogen, um der Nato das Bomben zu erleichtern). In Israel hingegen wurden ganze arabische Dörfer niedergewalzt, Zitronenhaine, Felder u. Besitz beschlagnahmt, wobei man den Besitzern bzw. Bewohnern das Zurückkehren eindeutig verbot. Aber damit nicht genug: nicht nur Land von 'Abwesenden' wurde beschlagnahmt, selbst Palästinenser, die im Verlauf des Kriegs nur von einem Ort innerhalb Israels zum nächsten wechselten, wurden enteignet - man erklärte sie ganz einfach zu 'anwesenden Abwesenden'.

Von den 860 000 Arabischstämmigen, die auf jenem palästinensischen Territorium gelebt hatten, das nun zum Staate Israel gehörte, blieben nur ganze 133 000 im Land. 470 000 der Palästinenser verschlug es in Flüchtlingslager in der West Bank (damals unter Jordanischer Kontrolle) oder in den Gazastreifen (damals unter Ägyptischer Kontrolle). Der Rest wurde über Libanon, Syrien u. andere Länder verstreut.

Frage: Warum hat Israel die Palästinenser überhaupt vertrieben?

Antwort: Teils geschah dies, um keine 'fünfte Kolonne' (der Arabischen Welt) im Land zu haben; teils geschah dies, um an palästinensisches Land zu kommen; teils geschah dies aber auch nur, um Platz für neue jüdische Immigranten zu schaffen. Aber der Hauptgrund bestand wohl darin, daß eine starke nicht-jüdische Minorität wohl kaum zur Idee eines jüdischen Staats Israel gepaßt hätte u. dessen Führer dies nur schlecht hätten verkaufen können.

Außerdem war die Situation die: dadurch daß sich Israel (durch den Krieg) Territorium verschafft hatte, das eigentlich für den zukünftigen Staat Palästina bestimmt war (u. auf dem deshalb sehr viele Araber lebten), wäre (ohne die Vertreibungen) eine Majorität an Arabern innerhalb der Grenzen Israels zustandegekommen.

Zudem ist es unrichtig, daß die Idee zur Vertreibung von Palästinensern erst während des Kriegs 1948 entstand. Bereits 1937 schrieb Ben Gurion ja an seinen Sohn: "Wir werden die Araber aus dem Land werfen u. ihren Besitz übernehmen... wenn nötig auch mit Gewalt."11

Frage: Wie ist die internationale Gemeinschaft mit dem Problem der Palästinensischen Flüchtlinge umgegangen?

Antwort: Im Dezember 1948 verabschiedete die UN-Vollversammlung die Resolution 194, in der festgelegt wurde: "Flüchtlinge, die heimkehren wollen u. willens sind, mit ihren Nachbarn in Frieden zu leben, müssen hierzu auch das Recht erhalten", und: "diejenigen, die nicht zurückkehren wollen, müssen für ihren verlorenen Besitz finanzielle Kompensation erhalten". Diese Resolution wurde Jahr um Jahr immer wieder mit überwältigender Mehrheit bestätigt. Aber Israel weigerte sich fortgesetzt, die Bestimmungen umzusetzen.

Frage: Haben die Arabischen Staaten Schritte unternommen, um die Palästinensischen Flüchtlinge wiederanzusiedeln?

Antwort: Nur in Jordanien wurde den Palästinensern ein Bürgerrecht zugestanden. Im Libanon befürchtete die Regierung, daß durch eine Einbürgerung der Palästinenser, das fragile Gleichgewicht zwischen Christen u. Muslimen gestört werden könnte. In Ägypten spielte der Mangel an bebaubarem Land eine Rolle bei der Regierungsentscheidung, die Palästinenser im Gazastreifen zu belassen. Dazu muß ergänzend gesagt werden, daß die Palästinenser selber ihre (Flüchtlings-)Lager oft gar nicht verlassen wollten - wenn Weggehen nämlich gleichbedeutend war mit der stillschweigenden Aufgabe ihres Landbesitzes bzw. ihrer Häuser oder mit dem Verzicht auf ein Rückkehrrecht.

Manchmal wird argumentiert, die mangelnde Unterstützung der Arabischen Staaten für die Palästinenser rechtfertige ja Israels beständige Weigerung, die Ansprüche der (palästinensischen) Flüchtlinge anzuerkennen u. zu erfüllen. Aber wenn man jemandem Schaden zufügt, so ist man auch für dessen Regulierung zuständig u. kann nicht ständig auf die (reiche) Verwandtschaft des Opfers verweisen.

Frage: Gab es da nicht einen 'Bevölkerungsaustausch' - indem Juden aus Arabischen Staaten statt der Palästinenser nach Israel kamen?

Antwort: Dieses Argument würde bedeuten: der einzelne Palästinenser / die einzelne Palästinenserin ist dafür verantwortlich, daß Arabische Regime Juden Unrecht antaten. Tatsache ist, daß Juden ihre arabischen Länder aus den unter- schiedlichsten Gründen verließen: einige wurden vertrieben, andere gingen freiwillig, wieder andere wurden durch Zionistische Behörden (für Israel) angeworben.

So hatten beispielsweise die Irakischen Juden Angst um ihre körperliche Unversehrtheit (diese Angst wurde möglicherweise durch Bomben verstärkt, die Zionistische Agenten hochgehen ließen.12).

Aber ganz abgesehen von alledem: es gibt keine moralische Rechtfertigung, die Palästinenser dafür zu bestrafen (respektive ihnen Rechte vorzuenthalten), daß Juden in der Arabischen Welt schlecht behandelt worden sind. Wenn beispielsweise der Staat Italien Amerikanische Bürger mißhandeln würde, dann könnten die USA doch wohl kaum hergehen u. ihre Italo-Amerikanischen Mitbürger mißhandeln bzw. ausweisen.

Frage: Wie wurden die Palästinenser behandelt, die in Israel verblieben sind?

Antwort: Die meisten Arabischstämmigen (in Israel) lebten in Grenzgebieten, u. bis 1966 waren diese Grenzgebiete ja allesamt 'militärische Sicherheitszonen' - was für die dort lebenden Palästinenser bedeutete, daß sie fast 20 Jahre lang unter 'Kriegsrechts'-Bedingungen leben mußten.

Aber auch nach 1966 wurden die arabischstämmigen Bürger Israels vehement diskriminiert. Fast das gesamte Land gehört/gehörte ja inzwischen dem 'Jüdischen Nationalfond', der es ausdrücklich verbot, Land an Nicht-Juden zu verkaufen oder auch nur zu verpachten. Die Schulen für palästinensische Kinder in Israel sind nach den Worten des 'Human Richts Watch' 'segregativ u. ungleich'. Die Staatsausgaben werden so gelenkt, daß die arabischen Dörfer (nichts davon abbekommen) u. daher unterentwickelt bleiben. Tausende von Israelischen Arabern leben in offiziell 'nicht anerkannten' Dörfern, in denen es folglich keine Elektrizität oder sonstigen staatlichen Dienst- leistungen gibt.13

Frage: Nach 1948: haben da die Arabischen Staaten nicht kontinuierlich weiterversucht, Israel zu zerstören?

Antwort: Nach Israels Sieg im Krieg 1948-1949 gab es mehrfach Möglichkeiten für einen (dauerhaften) Frieden. Alle Parteien haben Chancen verpaßt, aber die Kompromißlosigkeit Israels war sicherlich eines der Haupthindernisse. So wurde 1951 ein Friedensvorschlag der UN zwar von Ägypten, Syrien, Libanon u. Jordanien akzeptiert, von Israel hingegen abgelehnt.

Als in Ägypten Gamal Abd- el-Nasser an die Macht kam, machte er verschiedene Angebote an Israel, die aber alle zurückgewiesen wurden. Während Nassers Verhandlungen mit den Briten über ein Ende der britischen Kontrolle über die Suezkanal-Zone, entwarf der Israelische Geheimdienst einen Geheimplan für Bombenanschläge auf Westliche Ziele in Ägypten, um so die Briten doch noch von einem Abzug abzuhalten. Die Verschwörung flog auf, Ägypten exekutierte einige der Verantwortlichen, u. die Israelis rächten sich mit einer militärischen Großoffensive in den Gazastreifen (der ja unter Ägyptischer Kontrolle stand).14

1956 verbündete sich Israel mit Großbritannien u. Frankreich zur Invasion Ägyptens - die von den USA u. von der UNO scharf verurteilt wurde.

Frage: Wie wurden die 'Besetzten Gebiete' damals eigentlich genau besetzt?

Antwort: Im Juni 1967 fing Israel einen Krieg an, in dessen Verlauf es ganz Palästina - also die West Bank (bisher Jordanien), Ost-Jerusalem (bisher Jordanien), den Gazastreifen (bisher Ägypten), den Sinai (bisher Ägypten) sowie die Golanhöhen (bisher Syrien) - einnahm. Eine große Anzahl Palästinenser (ansässig in Städten, Dörfern aber auch in Flüchtlingslagern) geriet auf diese Weise unter Israelische Kontrolle (im Jahr 2001 war noch immer die Hälfte der P. der 'Besetzten Gebieten' in Flüchtlingscamps ansässig.15). Zudem setzte der Israelische Eroberungsfeldzug eine neue palästinensische Flüchtlingswelle Richtung Nachbarstaaten in Bewegung.

Israels Freunde argumentieren gerne, daß obgleich Israel in diesem Krieg den ersten Schuß abfeuerte, es sich dennoch um einen gerechtfertigten Präventivkrieg gehandelt habe, da die Arabischen Armeen ja schließlich mit mörderischem Kriegsgeschrei an Israels Grenzen aufmarschiert seien. Das mit dem markerschütternden Kriegsgetöse stimmt zwar, u. viele Menschen in der Welt machten sich damals auch große Sorgen um Israels Sicherheit. Aber wer militärisch im Bilde war - in Tel Aviv wie im Pentagon - mußte ganz genau wissen, daß selbst wenn die Araber einen Erstschlag durchführen würden, Israel trotzdem gesiegt hätte. Ägyptens Präsident Nasser hatte nach einem Ausweg gesucht u. seinen Vize-Präsidenten nach Washington entsandt, um Verhandlungen anzuregen. In diesem Moment griff Israel an - wohl auch, weil es derartige Verhandlungen verhindern wollte bzw. einen Kompromiß, der es Nasser erlaubt hätte, sein Gesicht zu wahren. Menachem Begin - ein Kriegsfanatiker, nicht nur in diesem Konflikt - hat gewußt, daß Israel dieser Krieg nicht auf- gezwungen würde. Begin im Juni 1967 (damals Minister ohne Geschäftsbereich): Israel hat "die Wahl". Ein Ägyptischer Truppenaufmarsch mußte nämlich nicht zwangsläufig bedeuten, daß Nasser auch tatsächlich angreifen würde. "Wir müssen ehrlich mit uns sein: wir haben entschieden, ihn anzugreifen".16

Aber selbst wenn der 1967-Krieg vonseiten Israels tatsächlich ein reiner Verteidigungskrieg gewesen wäre, rechtfertigte dies Israels fortgesetzte Herrschaft über die Palästinenser noch lange nicht. Ein Volk (Palästinenser) verliert nicht automatisch sein Recht auf Selbstbestimmung, nur weil ein benachbarter Staat einen Krieg angefangen hat.

Bestraft lieber Ägypten u. Jordanien - verweigert ihnen Gaza u. die West Bank (auf die diese Staaten ohnehin kein Anrecht haben, schließlich hatten sie ja gemeinsam mit Israel das für einen Palästinenserstaat vorbestimmte Gebiet unter sich aufgeteilt - eines Palästinenserstaats, wie ihn der Teilungsplan der UNO von 1947 vorsah u. der von Anfang an ja eine Totgeburt war). Aber für eine Bestrafung des Palästinensischen Volks gibt es, wie gesagt, keinerlei Grund. Man kann die P. nicht zwingen, sich mit der Militärbesatzung durch eine fremde Herrschaft abzufinden.

Sofort (nach dem 'Sechstagekrieg') wurde das besetzte Ost-Jerusalem zu einem vollwertigen Teil Israels erklärt - Jerusalem wäre jetzt die ungeteilte u. ewige Hauptstadt Israels, so hieß es (vonseiten Israels). Danach begann Israel mit dem Bau Israelischer Siedlungen in den neubesetzten Gebieten - ein Vorgehen das eindeutig gegen die 'Genfer Konvention' verstieß - die es einer Siegermacht ja verbietet, die eigene Bevölkerung auf erobertem Gebiet anzusiedeln. Sinn dieser Siedlungen - an strategischen Orten überall in der West Bank u. in Gaza errichtet - war es, vor Ort 'Fakten zu schaffen' u. die Okkupation dadurch unumkehrbar zu machen.

Frage: Wie reagierte die internationale Gemeinschaft auf die Israelische Besatzung?

Antwort: Im November 1967 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 242. Diese Resolution bekräftigt: "daß es nicht zugelassen werden darf, daß mittels Krieg Gebiete hinzugewonnen werden" u. rief (Israel) dazu auf, "die Israelischen Streitkräfte von Territorium abzuziehen, das sie während des jüngsten Kriegs besetzten". Außerdem werden (in der Resolution) sämtliche Staaten in der Region aufgefordert, ihren Kriegszustand aufzuheben u. das Recht jeden Landes anzuerkennen, "in Frieden u. innerhalb sicherer u. anerkannter Grenzen zu leben".

Israel legte die Resolution 242 allerdings so aus, daß darin lediglich von 'Territorium' die Rede sei - u. nicht etwa von 'd e m Territorium' (das es seit dem letzten Krieg besetzt hielt). Dadurch, so Israel, könne es (im Einklang mit der R.) einen Teil der Territorien zurückbehalten - nämlich um 'sichere Grenzen' zu erlangen. Sicher ist: die russische bzw. französische Version der Resolution enthalten beide den 'bestimmten Artikel'; aber davon einmal abgesehen, haben damals US-Offizielle gegenüber den Arabischen UN-Delegierten bestätigt, daß von Israel ein "praktisch kompletter Rückzug" erwartet werde, und dahingehend war auch die Haltung von Großbritannien, Frankreich sowie der Sowjetunion.17

Die Palästinenser waren mit der Resolution nicht einverstanden, weil sie darin lediglich als 'Flüchtlingsproblem' vorkamen ("eine gerechte Lösung für das Flüchtlingsproblem"). Ein Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung wurde nicht anerkannt. Allerdings war es anschließend schon Mitte der 70ger Jahre internationaler Konsensus (mit Ausnahme der USA u. Israels), die Idee eines Palästinenserstaats zu unterstützen - eines Palästinenserstaats, bestehend aus dem Gazastreifen u. der West Bank - nur gerinfügige 'Grenzanpassungen' sollten eventuell noch möglich sein.

Frage: Wie reagierten die USA auf die Israelische Okkupation?

Antwort: Vor 1967 war Frankreich, und nicht etwa die USA, Israels Hauptwaffenlieferant gewesen. Aber jetzt (nach dem 'Sechstagekrieg') gelangte die US-Regierung zu der Überzeugung, Israel könne zu einem extrem wertvollen Bündnispartner in der Nahost-Region werden, und so entwickelte sich Washington zu Israels wichtigstem militärischen u. diplomatischen Rückhalt.

Aber warum unterstützten die USA gerade Israel - wo es ihnen doch hauptsächlich um das Öl in der Region ging? Diese Frage impliziert, daß der Hauptkonflikt entlang der Linie 'Israel versus Araber' verlief. Falsch, die Frontlinien verliefen ganz anders: 'Israel plus konservative pro-westliche Arabische Regime versus radikaler arabischer Nationalismus.' Herausragende Vertreter letzterens waren vor allem Syrien u. Ägypten, die ja durch die Sowjetunion militärisch ausgerüstet wurden und eine Gefahr für die US-Interessen in der Region darstellten (Ende 1967 unterstützten Ägypten u. Saudi Arabien unterschiedliche Seiten im Jemenitischen Bürgerkrieg (militärisch), 1948 hatten Israel u. Jordanien zusammen ein Komplott gegen einen möglichen Palästinenserstaat geschmiedet, und 1970 wäre Israel erneut bereit gewesen, für die Jordanische Seite Partei zu ergreifen, als Jordanien nämlich Krieg mit den Palästinensern u. den Syrern führte).

Auf diesem Hintergrund gingen die USA bald schon auf diplomatische Distanz zur weltweit akzeptierten Interpretation von UN-Resolution 242 - und entschieden nun, daß aufgrund Israels gewaltiger militärischer Dominanz in der Region, (weitere) Verhandlungen unnötig seien - es sei denn, sie fänden zu Israels Bedingungen statt.

Und als der Amerikanische Außenminister Rogers einen eigentlich ganz brauchbaren Friedensplan (für Nahost) vorlegte, ließ Präsident Nixon die Israelis privat wissen, daß er bzw. die USA nicht unbedingt auf dessen Umsetzung bestünden.18

Als Anwar as-Sadat, Nassers Nachfolger als Ägyptischer Staatschef, einen Friedensplan vorlegte (mit dem er zusätzlich auch noch mit Moskau brach), entschieden die USA, Sadat wäre noch nicht massiv genug zu Kreuze gekrochen u. ignorierten sein Angebot einfach. Erst als Ägypten u. Syrien erneut einen begrenzten Krieg mit Israel anfingen - um nämlich ihr verlorenes Territorium zurückzugewinnen (und damit scheiterten) - u. erst als hierauf die arabischen Ölstaaten ein begrenztes Ölembargo verhängten, überdachte Washington seine Position erneut. Dies führte 1979 zum Camp-David-Abkommen zwischen Israel u. Ägypten: Israel gab den Sinai zurück u. bekam dafür im Gegenzug Frieden u. (normale) diplomatische Beziehungen zu Ägypten.

Als Folge dieser Entwicklung wurde Ägypten neben Israel zum wichtigsten Eckpfeiler der US-Politik in der Region. Im Gegenzug wurden Israel u. Ägypten die Hauptprofiteure von US-Hilfe weltweit.

Frage: Welche Fortschritte erreichten die Bemühungen um Gerechtigkeit für die Palästinenser während der ersten zwei Dekaden der Okkupation?

Antwort: Die 'Palästinensische Befreiungsorganisation' (PLO) wurde 1964 gegründet, aber bis 1969, als nämlich Jassir Arafat ihr Führer wurde, war die PLO von den Arabischen Staaten kontrolliert. Die PLO war von Anfang an eine inhomogene Organisation, gegliedert in viele unterschiedliche Fraktionen, die (zur Erreichung ihrer Ziele) unterschiedliche Strategien (einige entführten sogar Flugzeuge) verfolgten u. die unterschiedliche politische Standpunkte vertraten. Zuerst war es einhelllige Position der PLO gewesen, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Nur die Palästinenser sollten nationale Rechte in Palästina haben. Diese Einstellung der PLO fand ihr exaktes Pendant in der offiziellen Israelischen Politik. Sowohl die rechte Likud-Partei als auch die Arbeitspartei vertraten ja die einhellige Auffassung, es könne niemals eine Anerkennung der PLO geben - unter gar keinen Umständen, auch wenn diese dem Terrorismus abschwören u. Israel anerkennen sollte -, und schon gar nicht gab es eine Bereitschaft zur Akzeptanz eines Palästinenserstaats - in welchem Teil der 'Besetzten Gebiete' auch immer.

1976 hatte sich die PLO soweit dem internationalen Standpunkt (Konsensus) angenähert, daß sie jetzt bereit war, eine 'Zwei-Staaten-Lösung' zu akzeptieren.

Auf diesem Hintergrund kam es im Januar 1976 zur Einbringung einer Resolution in den UN-Sicherheitsrat, die von der PLO, Syrien, Ägypten, Jordanien u. der Sowjetunion mitgetragen wurde u. die diesen internationalen Konsensus vortrug. Washington legte sein Veto ein.19

Das Abkommen von Camp David von 1979 befriedete zwar die Grenzen zwischen Ägypten u. Israel, verschlechterte hingegen die Lage der Palästinenser. Und mit Ruhe an seiner Südgrenze hatte Israel 1982 auch freie Hand für einen Einmarsch in den Libanon (wo die PLO ja ihr Hauptquartier hatte), und Israel hatte jetzt auch freiere Hand, die Palästinenser in den 'Besetzten Gebieten' an die Kandarre zu nehmen.

Frage: Was war die 'erste Intifada'?

Antwort: Wut u. Frustration der Palästinenser in den 'Besetzten Gebieten' nahmen immer mehr zu - angeheizt durch die Repression der Israelis, deren Politik der eisernen Faust sowie durch die alltäglichen Demütigungen, denen sich die P. ausgesetzt sahen. Auch die Zahl der jüdischen Siedlungen wuchs immer rapider. Im Dezember 1987 probten die Palästinenser im Gazastreifen den Aufstand - 'Intifada' genannt, u. der Funke sprang rasch auf die West Bank über. Die 'Intifada' wurde von Leuten vor Ort organisiert und fand massenhaft Unterstützung in der palästinensischen Bevölkerung. Schußwaffen u. Messer waren verpönt, und die politische Hauptforderung der 'Intifada' war die nach einem unabhängigen Palästinenserstaat in Koexistenz mit Israel.20

Israel antwortete mit unglaublicher Härte - hunderte Palästinenser wurden getötet. Der damalige Verteidigungsminister der Arbeitspartei-Regierung, Yitzhak Rabin, drängte seine Israelischen Soldaten, den palästinensischen Demonstranten die Knochen zu brechen. PLO-Führer Khalil al-Wazir, der ja noch von Tunis aus (Exil der PLO) angeraten hatte, (in der 'Intifada') keine Waffen zu benutzen, fiel einem Attentat zum Opfer - mit Billigung Rabins. Israel ging es nämlich in erster Linie darum, diejenigen Palästinenser-Führer auszuschalten, die sich für einen mit Israel in Koexistenz lebenden Palästinenserstaat einsetzten.21

1989 hatte die anfängliche Disziplin des Aufstands (Intifada) abgenommen, u. eine beträchtliche Anzahl individueller Gewalttaten vonseiten der Palästinenser kamen vor. Die Hamas - eine Organisation, die ursprünglich ja von Israel gefördert worden war, nämlich als Gegenspieler der PLO 22 -, [Kommentar von mir: Siehe hierzu auch "Die USA und Israel haben Terrorgruppe Hamas aufgebaut" ] wurde jetzt immer einflußreicher. Sie rief zum bewaffneten Kampf auf u. wollte einen Islamischen Staat errichten - und zwar auf dem gesamten Gebiet Palästinas.

Frage: Was stand in den 'Osloer Verträgen'?

Antwort: Nachdem der Irak in Kuwait einmarschiert war, hatte Arafat kurzzeitig mit Saddam Hussein 'geflirtet' - was seine (Arafats) Glaubwürdigkeit entschieden schwächte (aus Gründen des Opportunismus hatte Saddam Hussein ja versucht, seinen (eventuellen) Rückzug aus Kuwait an einen Rückzug der Israelis aus den 'Besetzten Gebieten' zu koppeln). Israel begriff Arafats momentane Schwäche als gute Gelegenheit: denn, war es nicht besser, mit einem geschwächten Arafat zu verhandeln, anstatt zusehen zu müssen, wie die Macht der Hamas immer mehr wuchs? Sollte doch Arafat den Hilfssheriff (für Israel) spielen u. die aufmüpfigen Palästinenser zur Raison bringen. Währenddessen konnte Israel in aller Ruhe wichtige Ressourcen unter seine Kontrolle bringen u. an seinen Siedlungen festhalten.

Das 'Oslo-Abkommen' bestand zum einen aus den 'Briefen über eine wechsel- seitige Anerkennung' ('Letters of Mutual Recognition') sowie einer 'Prinzipien- erklärung' ('Declaration of Principles'). In Arafats 'Brief' stand, er anerkenne Israels Existenzrecht, er akzeptiere bestimmte UN-Resolutionen u. er erkläre einen Verzicht auf den bewaffneten Kampf und schwöre dem Terrorismus ab. Umgekehrt akzeptierte Israels Premier Rabin in seinem 'Brief' die PLO als Repräsentantin des Palästinensischen Volks u. willigte in den Beginn von Friedensverhandlungen mit ihr ein. Was in Rabins 'Brief' hingegen nicht stand, war eine Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen eigenen Staat. Die 'Prinzipienerklärung' wurde auf dem Rasen des 'Weißen Hauses' unter- zeichnet - und zwar am 13. September 1993. In ihr erklärt sich Israel bereit, seine Truppen aus dem Gazastreifen sowie aus der West-Bank-Stadt Jericho abzuziehen. Diese Gebiete sollten Selbstverwaltungs-Status erhalten - mit Ausnahme der Israelischen Siedlungen in Gaza. Es sollte zur Installierung einer 'Palästinensischen Autonomiebehörde' (PA) kommen, der eine (Palästinensische) Polizei unterstellt werden sollte - um nämlich für Ruhe u. Ordnung in denjenigen Gebieten zu sorgen, aus denen sich die Israelischen Streitkräfte zurückgezogen haben würden.

Darüber hinaus kam man überein, alle kritischen Streitpunkte mittels sogenannter 'Endstatus-Gespräche' im Verlauf der Zeit zu regeln - als da wären: die Jerusalem-Frage, das Flüchtlingsproblem, die Siedler, die Grenzen. Diese fortdauernden (Endstatus-)Gespräche sollten drei Jahre nach Abkommensabschluß gestartet werden.

Als nächstes wurde im September 1995 ein Interims-Abkommen unterzeichnet - allgemein als 'Oslo II' bekannt. Dieses Abkommen unterteilte die 'Besetzten Gebiete' in drei Zonen: Gebiet A, Gebiet B u. Gebiet C (das vierte Gebiet, das Israelisch-besetzte Ost-Jerusalem, fand aber keine Erwähnung). In Gebiet A sollte die PA Kontrolle in allen zivilen Dingen sowie in Sicherheits- angelegenheiten erhalten; von Souveränität war jedoch auch hier nicht die Rede; in Gebiet B sollte die PA lediglich die zivile Macht ausüben, während die Israelis die Kontrolle über die Sicherheit behielten; in Gebiet C sollten die Israelis die gesamte Kontrolle behalten (inklusive Kontrolle über die jüdischen Siedlungen, das Verbindungsstraßen-Netzwerk sowie über das meiste wertvolle Land bzw. die meisten Wasserressourcen in der West Bank).

Im März 2000 gehörten 17 Prozent der West Bank zu Gebiet A; auf diesem Areal lebten die meisten der Palästinenser. 24 Prozent der West Bank gehörten zu Gebiet B, und 59 Prozent der West Bank gehörten zu Gebiet C.

Im Gazastreifen war die Lage so, daß über eine Million Palästinenser ganzen 6500 jüdischen Siedlern gegenüberstanden. Diesen wenigen Siedlern sollten aber stolze 20 Prozent von Gebiet C überlassen werden.

Fakt war demnach, die Palästinenser hatten lediglich eine eingeschränkte Autonomie erreicht (nicht Souveränität), und das auch nur in den äußerst dichtbesiedelten Gebieten des Gazastreifens sowie in kleinen, nicht aneinander angrenzenden Gebietseinheiten auf der West Bank (wo 227 separate u. nicht miteinander verbundene Enklaven existierten).23

Dies bedeutete, die Aufgabe der PA bestand hauptsächlich darin, die Ordnung über eine verarmte u. zornige palästinensische Bevölkerung aufrechtzuerhalten.

Frage: Wie reagierte Israel auf die 'Osloer Verträge'?

Antwort: Wasimmer sich auch die palästinensische Bevölkerung von Oslo erhofft hat, die meisten Regierenden in Israel jedenfalls hatten eine sehr eingeschränkte Vorstellung davon, wohin Oslo führen sollte.

In einer Rede im Oktober 1995 erklärte Yitzhak Rabin, es werde kein Zurück zu den Vor-1967-Grenzen geben, Jerusalem werde ungeteilt u. unter ausschließlicher Israelischer Kontrolle bleiben, und auch die meisten jüdischen Siedlungen müßten weiterhin im Staate Israel verbleiben. Rabin sagte auch, er wolle, daß das "Gebilde", das die Palästinenser (irgendwann) bekämen, "weniger ist als ein Staat".24 Unter Rabin wurde der Siedlungsbau ausgeweitet, außerdem startete er ein massives Straßenbauprogramm, mittels dessen die jüdischen Siedlungen untereinander verbunden u. die West Bank zerteilt werden konnte (diese sogenannten 'By-pass-roads' (Umgehungsstraßen) sind auf konfisziertem palästinensischem Land gebaut; sie wurden mitfinanziert von den USA u. dürfen nur u. ausschließlich von Israelis benutzt werden).

1995 wurde Rabin durch einen rechtsgerichteten Israeli ermordet, sein Nachfolger als Premier war Schimon Peres. Aber Peres, so schreibt sein Berater Yossi Beilin, hatte einen noch engeren Horizont als selbst Rabin u. wollte einen zukünftigen Palästinenserstaat auf den Gazastreifen begrenzt wissen. 25 Yossi Sarid, Chef der gemäßigten Israelischen Linkspartei Meretz, sagt, Peres Pläne in Bezug auf die West Bank hätten sich nur "wenig unterschieden" von denen Ariel Scharons.26 Jedenfalls gingen der Siedlungsbau u. der Bau der Umgehungsstraßen auch unter Peres weiter.

Im Mai 1996 wurde Benjamin Netanjahu vom Likud - der ja ganz offen gegen das 'Oslo-Abkommen' war -, zu Israels neuem Premier gewählt. Netanjahu wollte das meiste im Hinblick auf den Israelischen Truppenabzug aus den 'Besetzten Gebieten' Beschlossene noch einmal verhandelt wissen; er setzte den Siedlungs- u. den Straßenbau fort, verschärfte die Politik der Abriegelung der palästinensischen Enklaven u. verweigerte sich auch dem Start der in Oslo vereinbarten 'Endstatus-Gespräche'.27

1999 wurde Ehud Barak von der Arbeitspartei zum neuen Israelischen Premierminister gewählt. Auch Barak war ein 'Hardliner', aber wie er offen zugab, wäre er wohl, falls er als Palästinenser auf die Welt gekommen wäre, einer terroristischen Organisation beigetreten.28 Seine Absichten waren also unklar. Seine Politik im ersten Jahr war dafür umso klarer: dasselbe wie gehabt - nur noch mehr davon. So wuchsen unter Barak die jüdischen Siedlungen (in den 'Besetzten Gebieten') in noch schnellerem Tempo als unter Netanjahu, bereits beschlossener Truppenabzug wurde nicht durchgeführt, die Landkonfiszierungen sowie die ökonomische Abriegelung der Palästinensergebiete gingen immer weiter. Außerdem sah das für das Jahr 2001 vorgeschlagene Haushaltsbudget der Regierung Barak eine weitere Erhöhung der Subventionen für die Siedlungen (in den 'Besetzten Gebieten') vor.29

Frage: Was waren die Folgen von Oslo?

Antwort: Die Israelischen Siedler in der West Bank u. in Gaza haben seit Oslo (also seit 1993) von 110 000 auf 195 000 zugenommen. Im annektierten Ost-Jerusalem stieg die Zahl der jüdischen Einwohner von 22 000 auf 170 000.30 Insgesamt wurden 30 neue Siedlungen errichtet u. mehr als 18 000 Wohneinheiten für jüdische Siedler gebaut.31 Von 1994 bis 2000 konfiszierte die Israelische Regierung 35 000 Acres (= 86 488 Hektar) Arabischen Lands zum Bau von Straßen u. Siedlungen.32

Die Armut unter den Palästinensern nahm im selben Zeitraum immer weiter zu - so daß Mitte 2000 (ungefähr) einer von fünf Palästinensern weniger als $2.10 am Tag zum Leben hatte.33 Gemäß Zahlen, die die CIA ver- öffentlichte, lag Ende 2000 die Arbeitslosigkeit (der Palästinenser) bei 40 Prozent.34

Die (verstärkte) Israelische Politik der Abriegelung führte bei der palästinensischen Bevölkerung zudem zu einem Weniger an Bewegungsfreiheit (Erschwerung von Reisen zwischen Gaza u. der West Bank bzw. Ost-Jerusalem sowie zwischen den einzelnen palästinensischen Enklaven).35 

Frage: Was war die Politik der USA während dieser Periode?

Antwort: Seit mehr als drei Jahrzehnten sind die USA nunmehr schon wichtigste inter- nationale Schutzmacht Israels. Und seit 1976 ist Israel zudem Hauptprofiteur der jährlich vergebenen US-Auslandsbeihilfe ('foreign aid') - respektive dasjenige Land, das seit dem '2. Weltkrieg ' weltweit insgesamt am stärksten von dieser Unterstützung profitiert hat.

Und dabei sind noch nicht mal alle speziellen finanziellen oder militärischen Sonderförderungen mitberücksichtigt - wie etwa die Unterstützung (von Israelischen Projekten) in Forschung u. Entwicklung in den USA. Zudem verfügt Israel über keine völlig autonome Wirtschaft. Vielmehr ist diese abhängig von ausländischen Zuschüssen und Anleihen.

Während der Oslo-Jahre schoß Washington Israel jährlich mehr als 3 Milliarden Dollar zu, im Finanzjahr 2000 sogar 4 Milliarden - was, abgesehen von 1979, der insgesamt höchste Betrag war. Von diesen finanziellen Beihilfen waren seit Oslo jährlich 1,8 Milliarden Militärbeihilfe gewesen. Im Finanzjahr 2000 stieg dieser Betrag sogar auf 3 Milliarden an - was 2/3 mehr ist als jemals zuvor.36

Auf diplomatischer Ebene nahmen die USA während dieser Zeit Abstand von verschiedenen Standpunkten, die sie über Jahre hinweg vertreten hatten. So hatten die USA ja seit dem Jahr 1949 (gemeinsam mit einer überwältigenden Mehrheit der UN-Vollversammlung) kontinuierlich für ein Rückkehrrecht der palästinen- sischen Flüchtlinge gestimmt. 1994 erklärte die Regierung Clinton plötzlich, die entsprechende Resolution werde von ihr nicht mehr getragen, da die Flüchtlingsfrage ja Thema der 'Endstatus-Gespräche' sei. Und genauso verhielt es sich auch mit der Jerusalem-Frage. Bisher hatten die USA im Einklang mit dem Rest der Welt (und im Einklang mit dem gesunden Menschenverstand nebenbei) Ost-Jerusalem als besetztes Territorium eingestuft. Nun erklärten die USA aber plötzlich, der Status Jerusalems solle ebenfalls in den 'Endstatus-Gesprächen' geklärt werden. Insgesamt dreimal - nämlich in den Jahren '95 bzw. 97 - wollte der UN-Sicherheitsrat Dringlichkeitsbeschlüsse gegen Israel (wegen dessen Enteignungs- bzw. Siedlungspolitik in Ost-Jerusalem) auf den Weg bringen - u. jedesmal legten die USA wieder ihr Veto ein.37

Frage: Was geschah in Camp David (2000)?

Antwort: Die sogenannten 'Endstatus-Gespräche' zwischen Israel u. den Palästinensern, wie in den 'Oslo-Verträgen' gefordert, fanden schließlich im Juli 2000 in Camp David / USA statt - und zwar im Beisein von US-Mediatoren.

Allgemein wird ja behauptet, Barak hätte ein unglaublich großzügiges Angebot unterbreitet, Arafat jedoch hätte abgelehnt u. sich für Gewalt entschieden. Ein amerikanischer Teilnehmer an den Gesprächen, Robert Malley, widerspricht dieser Darstellung entschieden.38

Barak unterbreitete ein Angebot - aber nie schriftlich u. nie ins Detail gehend; Malley sagt: "Genau genommen gab es eigentlich überhaupt kein Israelisches Angebot". Jedenfalls, was Barak den Palästinensern anbot, war Israelisches Land (örtlich nicht festgelegt, u. Israel sollte die Auswahl treffen dürfen), das einem einzigen Prozent West-Bank-Land entsprechen sollte. Dieses 1-Prozent-Gebiet sollte Ersatz sein für 9 Prozent West-Bank-Land, auf dem Israel bereits Siedlungen, Militärbasen u. Straßen errichtet hatte u. dessen Übergabe Barak nun im Gegenzug forderte. Damit hätte er nämlich eine sehr effektive Zerschneidung des Palästinensischen Gebiets in verschiedene Areale erreichen können.

Ein wirklich unabhängiger Staat Palästina wäre auf diese Weise jedenfalls nicht zustandegekommen - lediglich eine Reihe von 'Bantustans', zumal auch noch das wertvollste Land sowie die Bewässerungssysteme in Israelischer Hand verblieben wären.

Als nächstes forderte Barak, weitere 10 Prozent der West Bank sollten unter seiner Kontrolle verbleiben - 'vorübergehend', wie er sagte (aber wenn man bedenkt, daß es gerade Barak war, der in mehreren Fällen einen vertraglich zugesagten Truppenabzug nicht durchgeführt hat, verwundert es nicht, daß die Palästinenser bei dem Ausdruck 'vorübergehende' Besatzung eher skeptisch reagierten).

Die Behauptung, daß "Israels Angebot den meisten wenn nicht gar allen berechtigten Palästinensischen Ansprüchen gerechtgeworden sei, ist lediglich ein Mythos", schreibt Robert Malley 39, und ebenso sei Mythos, daß "die Palästinenser von sich aus keine Zugeständnisse gemacht" hätten. Einige Israelische Analysten kommen zu einer ganz ähnlicher Einschätzung. So schreibt etwa der einflußreiche Israelische Kommentator Ze'ev Schiff:

"Die Palästinenser sahen ihre Aussicht auf einen lebensfähigen eigenen Staat praktisch vor ihren Augen zerrinnen. Sie sahen sich mit einer Reihe inakzeptabler Alternativen konfrontiert: entweder, sie nahmen die immer mehr ausufernde Okkupation hin... oder sie akzeptierten heruntergekommene 'Bantustans', oder aber sie griffen zum Mittel des Aufstands".40

Frage: Was löste die 'zweite Intifada' aus?

Antwort: Am 28. September 2000 führte der damals noch einfache Knesset-Abgeordnete Ariel Scharon begleitet von rund tausend Sicherheitspolizisten einen provokativen Besuch auf dem Gelände der Al Aqsa Moschee durch. Barak hatte dem Besuch ausdrücklich zugestimmt. Am nächsten Tag schickte Barak erneut eine große Anzahl Polizisten u. Soldaten auf das Gelände, und als, wie zu Erwarten gewesen war, ein paar Palästinenser Steine warfen, antwortete die sofort massiv verstärkte Polizei mit tödlichen Schüssen. Vier Palästinenser starben, hunderte wurden verletzt. Auf diese Weise begann die 'Zweite Intifada'.

Die tiefere Ursache für den Aufstand liegt allerdings in einer unglaublich zornigen u. frustrierten palästinensischen Bevölkerung in den 'Besetzten Gebieten' - Menschen, die mitansehen mußten, wie unter Oslo nur alles immer schlechter wurde anstatt besser, deren Hoffnungen am Ende waren, ebenso wie ihre Geduld - nach 33 Jahren der Besatzung nämlich. Die Stimmung hatte sozusagen ihren Siedepunkt erreicht. 

Frage: Wer ist Ariel Scharon?

Antwort: 1953 war Scharon Kommandant einer Israelischen Einheit, die im Jordanischen Dorf Qibya rund siebzig Zivilisten massakrierte. Er war Verteidigungsminister, als Israel 1982 in den Libanon einmarschierte - wobei 17 000 Zivilisten ihr Leben verloren.

Im September 1982 schlachteten mit Israel verbündete Libanesische Verbände in den Flüchtlingslagern Sabra u. Schatila hunderte palästinensischer Nicht- Kombatanten (also Zivilisten) ab - ein Verbrechen für das Scharon von einer Israelischen Kommission für 'indirekt verantwortlich' befunden wurde. In seiner Funktion als Wohnungsbauminister in verschiedenen Israelischen Kabinetts setzte sich Scharon vehement für den Ausbau der jüdischen Siedlungen in den 'Besetzten Gebieten' ein.

Im Januar 2001 wurde Scharon Premierminister von Israel.

Frage: Wie antwortete Israel auf diese 'zweite Intifada'?

Antwort: Die Israelischen Sicherheitskräfte antworteten auf die palästinensischen Demonstrationen mit scharfer Munition - und das obwohl, wie eine UN-Untersuchung feststellte, die Israelische Armee in diesen (ersten) Auseinandersetzungen "keinen einzigen ernsthaft Verletzten zu beklagen hatte".41 Einige Palästinenser zogen hieraus die Konsequenzen u. bewaffneten sich - was die Auseinandersetzungen nur noch blutiger machte. Es kam jetzt auf allen Seiten zu Toten - wobei die Opferzahl auf Seiten der Palästinenser disproportional hoch war. Im November 2001 schliefen die Kämpfe eine Woche lang ein. In dieser Situation ordnete Scharon die Ermordung des Hamas-Führers Mahmoud Abu Hanoud an - was natürlich ganz erwartungsgemäß zu einer Serie von Bombenanttentaten führte - die Scharon wiederum als Vorwand benutzte, um erneut die Palästinensische Autonomiebehörde (Arafats) anzugreifen.42

Im März 2002 berichtete 'Amnesty International' von mehr als 1000 getöteten Palästinensern:

"Israelische Sicherheitskräfte haben Palästinenser ungesetzlicherweise getötet - darunter auch mehr als 200 Kinder -, indem sie nämlich bewohntes Gebiet mit Granaten angriffen oder bombardierten, indem sie Leute zufällig oder gezielt erschossen - was vor allem in Grenz- oder Check- point-Nähe vorkam -, indem sie Exekutionen ohne Prozeß durchführten oder indem sie Menschen während einer Demonstration erschossen".43

Andererseits töteten die palästinensischen Selbstmordattentäter gezielt Zivilisten. Dazu 'Amnesty': "Diese Taten sind schockierend. Jedoch können sie niemals eine Rechtfertigung darstellen für die Menschenrechtsverletzungen u. schwerwiegenden Verstöße gegen die 'Genfer Konvention', wie sie durch die Verantwortlichen auf Israelischer Seite während der vergangenen 18 Monate an Palästinensern begangen wurden - und zwar auf einer täglichen, stündlichen, ja minütlichen Basis. Das Israelische Militär hat fortgesetzt Tötungen durchgeführt, ohne daß zuvor Gefahr für irgendjemandes Leben bestanden hätte". Medizinisches Personal wurde angegriffen, Ambulanzen - auch die des 'Roten Kreuzes' - "wurden auf konstanter Basis beschossen",44

Alle Verletzte durften nicht medizinisch versorgt werden. Daneben führte Israel gezielte Exekutionen durch (in vielen Fällen hatten die Opfer höchstwahr- scheinlich etwas mit dem Terror zu tun, in manchen Fällen aber auch sicher nicht.45n diesen Hinrichtungen ohne Prozeß ist aber gemein, daß sie von Menschenrechtsorganisationen (streng) verurteilt wurden).

Die Israelische Regierung kritisierte Arafat u. behauptete, er würde nicht hart genug gegen die Terroristen durchgreifen. Gleichzeitig griffen die Israelis jedoch seine Sicherheitskräfte an - die Arafat ja dringend gebraucht hätte, um 'härter durchzugreifen'. Arafat selber durfte sein Regierungsgebäude in Ramallah schließlich gar nicht mehr verlassen.

Die öffentliche Meinung in Israel polarisierte sich zusehends. Während hunderte Armeereservisten sich weigerten, ihren Militärdienst in der West Bank bzw. in Gaza anzutreten (siehe www.couragetorefuse.org) sind mittlerweile 46 Prozent der jüdischen Israelis laut Umfragen dafür, alle Palästinenser gewaltsam aus den 'Besetzten Gebieten' zu vertreiben.46

Frage: Was war die Politik der USA?

Antwort: Die (gewaltige) Unterstützung der USA für Israel - in militärischer, ökonomischer u. diplomatischer Hinsicht - hat die Israelische Repression der letzten anderthalb Jahre überhaupt erst möglich gemacht.

Das meiste militärische Gerät, das Israel für seine Attacken auf die Palästinenser zum Einsatz brachte, war entweder direkt 'made in USA' (die F-16s, die Kampfhelikopter, Raketen, Granatwerfer, die Caterpillar-Bulldozer, die Luftgranaten, die M-40-Abschußvorrichtungen), oder aber 'made in Israel', wobei das US-Verteidigungsministerium bei Forschung u. Entwicklung finanziell Pate gestanden hatte (z.B. Merkava-Panzer).

Am 26. März 2001 beriet der UN-Sicherheitsrat eine Resolution über die mögliche Etablierung einer internationalen Präsenz in den 'Besetzten Gebieten', um nämlich weiteren Menschenrechtsverletzungen vorbeugen zu können. Die USA legten ihr Veto ein. Und weil Israel keinerlei Interesse an einer diplomatischen Einmischung der USA hatte, tat ihm Washington den Gefallen u. wartete mit der Ernennung u. Entsendung seines Sondergesandten für die Region, General Zinni, bis November 2001 - zu diesem Zeitpunkt dauerte die 'zweite Intifada' immerhin schon mehr als ein Jahr an. Viermal hat sich Präsident Bush im Verlauf der 'Intifada' mit Israels Scharon getroffen - kein einziges Mal mit Arafat. Im Februar 2002 verstieg sich US-Vizepräsident Cheney zu der Aussage: Israel könne Arafat ruhig "hängen".47

Frage: Und was hat zu dieser gegenwärtigen Krise geführt?

Antwort: Während das Treffen der 'Arabischen Liga' stattfand, auf dem für den saudischen Friedensvorschlag geworben werden sollte (der lautete: Anerkennung Israels gegen dessen kompletten Rückzug hinter die 1967-Grenzen), kam es in Israel zu einem weiteren Selbstmordanschlag eines Hamas-Bombers. Scharon, der zweifellos befürchten mußte, der 'Liga'-Vorschlag würde eine Welle der Zustimmung auslösen, reagierte auf den neuerlichen Anschlag mit massivster Gewalt u. ließ seine Armee bis vor Arafats Amtssitz vorrücken. Arafat wurde gezwungen, sich in ein paar Räumen zu verschanzen. Anschließend begann eine großangelegte Israelische Invasion sämtlicher größerer Palästinenserstädte in der West Bank. Viele Palästinenser wurden getötet, aber weil Reporter (von Israel) nicht ins Kriegsgebiet vorgelassen wurden, ist die genaue Opferzahl nicht bekannt.

Während der ersten Tage von Scharons Offensive, hatte es Präsident Bush dezidiert vermieden, die Israelische Aktion zu kritisieren. Statt dessen zog er lieber über Arafat her. Arafat - nunmehr auf wenigen Quadratmetern eingeschlossen - hielt er vor, nicht genug zu unternehmen, um den Terror zu stoppen.

Als aber die Demonstrationen in der Arabischen Welt - sonderlich im eigentlich pro-amerikanischen Jordanien bzw. Ägypten - immer mehr zunahmen u. allmäh- lich die gesamte Region zu destabilisieren drohten, rang sich Bush schließlich doch noch dazu durch, Israel aufzufordern, sich aus den Palästinensischen Städten zurückzuziehen. Scharon hatte indes genau registriert, daß die US-"Forderung" nicht mit Konsequenzandrohungen verknüpft war u. fuhr daher unbeirrt fort mit seinen Metzeleien.

Frage: Gibt es noch einen Ausweg?

Antwort: Eine Lösung entsprechend dem internationalen Konsensus - Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten, Schaffung eines tatsächlich souveränen bzw. lebensfähigen Palästinenserstaats, bestehend aus der West Bank, dem Gazastreifen sowie einer Hauptstadt in Ost-Jerusalem - erscheint nach wie vor durchführbar. Alles was dazu nötig wäre, ist der Wille der USA u. Israels.

Frage: Aber haben die Araber nicht schon 22 Staaten - warum brauchen sie denn jetzt noch einen? 

Antwort: Araber ist nicht gleich Araber. Daß bestimmte Araber ihr Recht auf (nationale) Selbstbestimmung bereits verwirklichen konnten, bedeutet ja keineswegs, daß man andererseits den Palästinensern ihre Grundrechte verweigern darf. Und die Tatsache, daß es in Jordanien viele Palästinenser gibt bzw. daß die dort lebenden Palästinenser gewissen Einfluß u. Rechte haben, bedeutet ja auf der anderen Seite noch lange nicht, daß die in Israel unter Okkupation lebenden Millionen Palästinenser sowie die aus ihrer Heimat vertriebenen u. in Flüchtlingslagern lebenden P. nicht auch Rechte zu beanspruchen haben.

Schließlich leben ja auch in den USA viele Juden u. sind dort mit Einfluß u. Rechten ausgestattet; deswegen würde aber wohl niemand auf die abstruse Idee kommen, die Israelischen Juden alle in Richtung USA zu vertreiben.

Frage: Aber kann man wirklich Terroristen einen Staat geben?

Antwort: Wenn es Völkern, deren Unabhängigkeitsbewegungen (einst) zum Mittel des Terrorismus gegriffen haben, grundsätzlich verboten sein sollte, einen Staat zu gründen, wären auch viele der heutigen Staaten illegitim - nicht zuletzt Israel, dessen (frühere) Unabhängigkeitsbewegung mitunter ja auch zu terroristischen Mitteln gegenüber Zivilisten gegriffen hat.

Frage: Aber würde ein unabhängiger Palästinenserstaat nicht die Sicherheit Israels gefährden?

Antwort: Immer schon haben Eroberer ihre Eroberungsfeldzüge damit gerechtfertigt, sie seien aus Gründen der Sicherheitsgewährleistung notwendig. Und mit diesem Argument der 'Sicherheitsinteressen' hat sich auch Israel jahrelang geweigert, den Sinai an die Ägypter zurückzugeben bzw. später sich aus dem Libanon zurückzuziehen. Letztendlich wurde aber doch beides realisiert, u. seither hat sich Israels Sicherheitslage erheblich verbessert anstatt verschlechtert. Gut möglich, daß das 'Oslo Abkommen' - das der palästinensischen Verwaltung ja lediglich voneinander abgetrennte Territorien unterstellte -, den Israelis nicht gerade ein Mehr an Sicherheit eingebracht hat. Aber wie selbst Schimon Peres, einer der Architekten des Abkommens u. derzeitiger Außenminister der Regierung Scharon, zugeben mußte, steckte in Oslo von Anfang an der Wurm drin: "Heute wissen wir, daß eine (derartige) Autonomie die Palästinenser nur in eine noch schlechtere Lage bringt". Die 'zweite Intifada' wäre zu vermeiden gewesen, so Peres weiter - nämlich wenn die Palästinenser gleich zu Beginn ihren eigenen Staat bekommen hätten: "Schließlich können wir nicht ständig dreieinhalb Millionen Palästinenser unter Belagerung halten - ohne Einkommen, unterdrückt, arm, dichtgedrängt u. halbverhungert".48

Israel ist die einzige Atommacht in der Region. Daneben ist es die stärkste Militärmacht in ganz Nahost. Warum also sollte es ein derartiger Staat nötig haben - aus Gründen der Sicherheit zumindest - benachbartes Territorium besetzt zu halten? Im Grunde ist es doch genau umgekehrt: nichts würde dem Israelischen Volk mehr Chancen auf Frieden u. Sicherheit bescheren als ein Rückzug aus den 'Besetzten Gebieten'.

Frage: Ist die Forderung der Palästinenser nach einem 'Rückkehrrecht' (der palästinensischen Flüchtlinge) nicht lediglich ein Trick, um Israel vernichten zu können?

Antwort: Dafür zu plädieren, Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben worden sind, ein Recht auf Rückkehr zu gewähren, kann man wohl kaum als überzogene Forderung bezeichnen.

Natürlich kann dies andererseits wiederum nicht bedeuten, daß diejenigen Menschen, die jetzt schon jahrelang in diesen Häusern leben, wieder daraus vertrieben werden dürfen. Entsprechende Planungen müßten daher mit großer Sorgfalt durchgeführt werden. Auch stimmen Palästinensische Offizielle u. die Mitglieder der 'Arabischen Liga' überein, daß das 'Recht auf Rückkehr' in einer Weise verwirklicht werden sollte, die keine demographischen Probleme für Israel aufwirft.49

Natürlich könnte noch die Frage erhoben werden, ob ein offizieller 'jüdischer Staat' denn nicht grundsätzlich ein Problem darstellt - schon allein aus ganz basalen Gründen der Demokratie. (Warum sollte etwa ein Jude aus Brooklyn das Recht auf 'Heimkehr' nach Israel haben u. ein Palästinenser aus Haifa, der dort geboren ist, nicht?) Aber so wie die Dinge liegen, haben weder Arafat noch die 'Arabische Liga' diesbezüglich Einwände.50

Frage: Aber sähen die Palästinenser einen eigenen Staat nicht nur als ersten Schritt an, Israel endgültig auszulöschen?

Antwort: Die Hamas u. einige weitere kleinere palästinensische Gruppierungen sind nicht nur gegen die Besatzung, sondern sprechen Israel grundsätzlich sein Existenzrecht ab. Aber die Haltung von Hamas u. ähnlicher Kreise stellt innerhalb der palästinensischen Bevölkerung eine ausgesprochene Minoritätshaltung dar. Die palästinensische Bevölkerung im großen u. ganzen ist nämlich säkular eingestellt u. favorisiert eine 'Zwei-Staaten-Lösung'. Die Lage ist ja die: erst als es der Palästinensischen Regierung (PA) nicht machbar war, ihren Bürgern zu mehr Wohlstand zu verhelfen, erhielt die Hamas großen Zulauf u. wurde stark. Wenn es hingegen zu einem wirklichen unabhängigen Palästinenserstaat käme, würde die Hamas sicherlich nicht mehr viele Freiwillige für ihre Selbstmordanschläge finden. Aber andererseits wiederum steht fest: je länger der wechselseitige Terror noch anhält, desto schwieriger wird es, einen langfristigen Frieden zu erreichen.

Frage: Aber ist eine Zwei-Staaten-Lösung denn auch gerecht?

Antwort:Es gibt, wie gesagt, einen breiten internationalen Konsens darüber, eine derartige Zwei-Staaten-Lösung, im Sinne des Saudischen Friedensplans, zu verwirklichen.

Natürlich ist auch eine solche Regelung alles andere als ideal. Letztendlich ist Palästina nämlich sehr klein, um in zwei Staaten aufgeteilt zu werden. Zudem formt das Gebiet quasi eine natürliche ökonomische Einheit. Davon abgesehen aber stellen ein Staat Israel einerseits - der alle anderen außer den Juden diskriminiert - u. ein Staat Palästina, der sehr wahrscheinlich auch diskriminierend sein wird, nur eben in die andere Richtung, eine alles andere als ideale Lösung dar.

Wirklich wünschenswert wäre hingegen ein einziger einheitlicher Staat auf säkularer Basis - ein Staat, der beiden nationalen Gruppen (Juden wie Palästinensern) substantielle Autonomierechte einräumte. Womit wir wieder beim Modell eines bi-nationalen Staats - so wie er vor 1948 diskutiert wurde -, wären. Aber im Moment jedenfalls wäre ein solches Modell wohl noch verfrüht. So wie's aussieht stellt demnach also eine Zwei-Staaten-Regelung die Art von Übergangslösung dar, die ein Minimum an Gerechtigkeit garantieren kann und die es Juden u. Palästinensern ermöglicht, einen friedvollen Weg in eine hoffentlich gerechtere Zukunft zu beschreiten.


 Übersetzung von Andrea Noll

Anmerkungen

  1. der Zionistische Autor Ahad Ha'am merkt an, (seine Mitjuden) "...behandeln die Araber feindlich u. mit Grausamkeit, sie enthalten ihnen ihre Rechte vor, sie beleidigen sie grundlos und geben auch noch mit diesen Taten an." Zitiert aus 'Jews For Justice in The Middle East' (Juden für Gerechtigkeit in Nahost): 'The Origin of the Palestine-Israeli conflict' (Die Wurzeln des Palästinensisch-Israelischen Konflikts), 3. Ausgabe, P.O. Box 14561, Berkeley, CA, 94712, zu beziehen unter: http://www.cactus48.com/truth.html
  2. Norman G. Finkelstein: 'A Land Without a People: Joan Peters' 'Wilderness' Myth' (Ein Land ohne Volk: Joan Peters 'Wildnis'-Mythos), aus 'Image and Reality of the Israel Palestine Conflict' (Bild u. Realität des Israelisch- Palästinensischen Konflikts), Seiten 21-50, erschienen 1995 bei Verso, New York
  3. Siehe Quellen zitiert in Noam Chomskys: 'Fateful Triangle: The United States, Israel and the Palestinians' (Schicksalsdreieck: die USA, Israel u. die Palästinenser'), S. 169-210, überarbeitete Ausgabe, erschienen 1999 bei South End Press, Cambridge
  4. Simha Flapan: 'The Birth of Israel: Myths and Realities' (Die Geburt Israels: Mythen u. Realitäten) Seiten 66-67, erschienen 1987 bei Pantheon, New York
  5. Zitiert aus: Jerome Slater: 'What Went Wrong? The Collapse of the Israeli- Palestinian Peace Process' (Was ist schiefgelaufen? Der Kollaps des Israelisch- Palästinensischen Friedensprozesses) S.174, aus 'Political Science Quaterly', Band 116, Nr.2, 2001
  6. Flapan, Seiten 55, 73-77
  7. Flapan, Seiten 153-186
  8. Flapan, Seiten 187-199
  9. Christopher Hitchens: 'Broadcasts', aus: 'Blaming the Victims: Spurious Scholarship and the Palestinian Question' (Die Schuld den Opfern geben: Pseudo-Gelehrte und die Palästinensische Frage), Seiten 73-83, Hrsg. Edward W. Said u. Christopher Hitchens, erschienen 1988 bei Verso, New York
  10. Benny Morris: 'The Birth of the Palestinian Refugee Problem 1947-1949' (Die Geburt des Palästinensischen Flüchtlingsproblems 1947-1949), erschienen 1987 in Cambridge University Press, New York; Norman G. Finkelstein: 'Born of War, Not By Design' (Aus Krieg und nicht aus Absicht entstanden) aus: Finkelstein: 'Image and Reality...', Seiten 51-87
  11. Slater, Seiten 173-174
  12. Hierzu auch Mark Tessler: 'A History of the Israeli-Palestinian Conflict' (Geschichte des Israelisch-Palästinensischen Konflikts), Seiten 308-311, erschienen 1994 bei Indiana University Press, Bloomington; Noam Chomsky:'Towards a New Cold War', Seiten 462-533, erschienen 1982 bei Pantheon, New York 
  13. Ian Lustick: 'Arabs in the Jewish State: Israel's Control of a National Minority' (Araber im Staat der Juden: Israels Kontrolle über eine Nationale Minderheit) erschienen 1980 bei University of Texas; Human Rights Watch: 'Second Class: Discrimination against Palestinian Arab Children in Israel's Schools' (Zweitklassig: die Diskriminierung der Arabisch-Palästinensischen Kinder in Israels Schulen), September 2001: http://www.hrw.org/reports/2001/israel2/ Zum Thema 'nicht anerkannte' Israelisch-arabische Dörfer, in denen ungefähr 100 000 Menschen zu leben gezwungen sind - ohne in den Genuß staatlicher Grundversorgung wie Wasser u. Strom zu kommen, siehe auch: http://www.assoc40.org/index_main.html
  14. Charles D. Smith: 'Palestine and the Arab-Israeli Conflict' (Palästina u. der Arabisch-Israelische Konflikt), Seiten 237-238, erschienen in 4. Ausgabe 2001 bei Bedford/St. Martin's, Boston
  15. John Dugard, Kamal Hossai, Richard Falk: 'Questions of the Violation of Human Rights in The Occupied Arab Territories, Including Palestine' (Fragen zu Menschenrechtsverletzungen in den besetzten arabischen Gebieten, einschließlich Palästinas), ein Bericht der Menschenrechtsuntersuchungs- Kommission, eingesetzt im Anschluß an Kommissions-Beschluß S-5/1 vom 19. Oktober 2000, E/CN.4/2001/121, 16. März 2001 , Paragraph(?) 29
  16. Zitiert aus Chomsky: 'Fateful Triangle', S.100
  17. Smith, Seiten 306, 334-410
  18. Henry Kissinger: 'White House Years' (Meine Jahre im 'Weißen Haus'), S.376, erschienen 1979 bei Little, Brown in Boston
  19. Chomsky: 'Fateful Triangle', Kapitel 3, vor allem S.67
  20. Smith, Seiten 418-421
  21. Smith, Seiten 422-424
  22. Richard Sale: 'Israel gave major aid to Hamas' (Israel hat die Hamas maßgeblich unterstützt), UPI, 24. Februar 2001
  23. Geoffrey Aronson: 'Recapitulating the Redeployments: The Israel-PLO 'Interim Agreements'' (Rekapitulieren wir die Truppenrückzugsregelungen: die Israel-PLO 'Interims-Bestimmungen') aus 'Information Brief' (Kurzin- formation) Nr.32, 'Center for Policy Analysis' (Zentrum für Politikanalyse) 27. April 2000
  24. Slater, S.177, hier wird aus seiner Rede an die Knesset vom 5. Oktober 1995 zitiert, abgedruckt in 'Report on Israeli Settlement in the Occupied Territories' (Bericht über die Israelischen Siedlungen in den Besetzten Gebieten), Nov.1995 
  25. Slater, S.178-209, wo er aus der Ha'aretz vom 7. März 1997 zitiert
  26. Slater, S.178-209, wo er den Bericht der 'American Academy of Arts and Sciences' (Bericht derAmerikanischen Akademie für Wissenschaft u. Künste), von 1995, zitiert: 'Israeli-Palestinian Security' (Israelisch-Palästinensische Sicherheit)
  27. Slater, S.179
  28. Smith, S.490
  29. Slater, Seiten 180-181
  30. Edward Said: 'Palestinians under Siege' (Palästinenser unter Belagerung) aus: 'The New Intifada': Resisting Israel's Apartheid' (Die neue Intifada: Widerstand gegen Israels Apartheid), S.29, erschienen 2001, Hrsg.Roane Carey, Verso, New York; Allegra Pacheco: 'Flouting Convention: The Oslo Agreements', S.189, aus Carey
  31. Sara Roy: 'Decline an Disfigurement: The Palestinian Economy after Oslo' (Niedergang u. Entstellung: Die Palästinensische Ökonomie nach Oslo), S. 95 aus Carey; Pacheco, S.187
  32. Roy, S.95
  33. 3 Roy, S.101
  34. CIA World Factbook 2001 (internationales Tatsachenbuch der CIA, 2001)
  35. Roy, Seiten 98-100
  36. Clyde R. Mark: 'Israel: U.S. Foreign Assistance, Updated March 15, 2002' (Israel: US-Auslandsunterstützung, überarbeitete Fassung vom 15. März 2002) CRS Issue Brief for Congress, Congressional Research Service, The Library of Congress, Order Code (Bestell-Kode) IB85066; einsehbar unter: http://www.fpc.gov/CRS_REPS/Crs_abs.htm
  37. Sehen Sie hier die Liste der zurückgewiesenen (= Vetoes) UN-Sicherheits- rats-Resolutionen zu Palästina: http://www.un.org/Depts/dpa/qpal/index.html
  38. Robert Malley u. Hussein Agha: 'Camp David: The Tragedy of Errors' (Camp David: die Tragödie der Irrtümer) aus 'New York Review of Books' vom 9. August 2001. Siehe hierzu auch Deborah Sontag: 'Quest for Mideast Peace: How and Why it Failed' (Das Bemühen um Frieden in Nahost: Wie u. Warum es scheiterte) in der 'New York Times' vom 26. Juli 2001, p A1; sowie Kritik an Baraks Angebot auf der Website des 'Peace Bloc' (Friedensblocks) Gush Shalom: http://www.gush-shalom.org
  39. 'New York Times' vom 8. Juli 2001
  40. Slater, S.184, die 'Ha'aretz' vom 24. November 2000 zitierend
  41. Dugard, Hossain, Falk, para (Paragraph?) 22
  42. Suzanne Goldenberg: 'Middle East: Israeli strikes dim hopes for peace mission: Sharon accused of trying to sabotage visit' (Nahost: Israelische Angriffe verdüstern Hoffnung für Friedensmission: Scharon wird bezichtigt, den Besuch zu sabotieren), erschienen in 'Guardian' vom 26. November 2001, S.6
  43. Amnesty International: 58th UN Commission on Human Rights (2002) Background Briefing, IOR 41/004/2002, vom 11. März 2002
  44. Aussage von Amnesty International vor der 'Commission on Human Rights', am 26. März 2002, MDE 15/027/2002
  45. Dugard, Hossain, Falk, paras (Paragraphen?) 56, 62, 64
  46. aus 'Ha'aretz' vom 12. März 2002; zum Thema Reservistenverweigerung: http://www.couragetorefuse.org
  47. Clyde Mark: 'Palestinians and Middle East Peace: Issues for the United States, Updated March 19, 2002' (Die Palästinenser u. der Frieden im Nahen Osten, Themen für die USA, überarbeitete Fassung vom 19. März 2002) Congressional Research Service, The Library of Congress, Order Code (Bestell-Kode) IB92052
  48. Jason Keyser: 'Peres Says Mideast Peace Process Flawed From Outset' (Peres sagt, der Friedensprozess in Nahost war von Anfang an faul), Associated Press, 21. Februar 2002
  49. Zu Arafat siehe 'New York Times' vom 3. Februar 2002 u. Dugard, para (Abschnitt? Paragraph?) 31 für weitere Diskussion
  50. Zur Diskussion über das Rückkehrrecht, siehe 'Palestine Refugees: The Right of Return' (Palästinensische Flüchtlinge: Das Recht auf Rückkehr) Hrsg. Naseer Aruri, erschienen 2001 bei Pluto, London

  51.  

     
     
     

    Übersetzung von Andrea Noll
     
     


http://www.znet.karlssonkarlsson.de/shalom_hintergrund.htm