Die
Liberalisierungsopfer
Entwicklungsländer
im Räderwerk der WTO
Von Thomas Fritz, BLUE 21, August 2000 "Das 21. Jahrhundert hat in Seattle begonnen", so der euphorische Kommentar des französischen Soziologen Edgar Morin angesichts der Proteste rund um die gescheiterte Konferenz der Welthandelsorganisation WTO in Seattle. Nachdem feststand, dass keine Einigung auf eine neue Liberalisierungsrunde, die sog. Millennium-Runde, zustande gekommen war, feierten dies viele Kritiker der in Genf ansässigen Organisation als einen weiteren Punktsieg gegen die Freihandelslobby. Glaubte man hingegen den Verlautbarungen des WTO-Chefs Mike Moore, der EU-Kommission oder auch der rot-grünen Bundesregierung so sind die wahren Verlierer der gescheiterten Konferenz die Entwicklungsländer: Demnach wären nur mit einer neuen Welthandelsrunde bessere Absatzmöglichkeiten auf den Märkten des Nordens entstanden, Arbeitsplätze geschaffen und die Armut gelindert worden. Seltsam nur, dass sich sowohl soziale Bewegungen als auch zahlreiche Regierungen des Südens (Indien, Pakistan, Malaysia und viele Länder Afrikas) deutlich gegen einen weiteren Liberalisierungsschub aussprachen. Angesichts des völlig intransparenten und durch die Industriemächte dominierten Verhandlungsverlaufs in Seattle wuchs dieser Widerstand noch. Frustrierte Diplomaten schilderten, wie sie vergeblich versuchten, in die Konferenzräume hineinzukommen. Diese exklusiven Verhandlungszirkel heißen im WTO-Jargon "Green Rooms". Zu ihnen haben in der Regel nur die mächtigsten Handelsnationen wie die USA, die EU und Japan sowie einige strategisch ausgewählte Entwicklungsländer Zugang. Verärgert über den Ausschluss aus für sie wichtigen Verhandlungsgruppen drohten die Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) sowie einige lateinamerikanische Länder schließlich an, die Konferenz platzen zu lassen, was aufgrund des in der WTO geltenden Konsensprinzips durchaus möglich ist. Auch wenn die Konferenz letztlich hauptsächlich an den Interessengegensätzen zwischen den gewichtigen Handelsblöcken gescheitert ist, wird diese "Revolte der Entwicklungländer" (Martin Khor) vielfach als ein neu erwachtes Selbstbewusstsein des Südens interpretiert. Zwar sind die Positionen
der Entwicklungländer in Welthandelsfragen alles andere als einheitlich,
dennoch gibt es eine Reihe von WTO-Abkommen, die für die Mehrheit
von ihnen entweder nicht die erwarteten Vorteile eingebracht haben oder
sich als geradezu schädlich erwiesen. Unabhängig vom Scheitern
der Ministerkonferenz werden einige der Abkommen gegenwärtig in der
WTO neu verhandelt, denn sie gehören zur Tagesordnung, auf die man
sich schon während der 1994 abgeschlossenen Uruguay-Runde einigte.
Hierzu gehören u.a. das Agrar- und das Dienstleistungsabkommen sowie
das Abkommen über geistige Eigentumsrechte (TRIPs).
Landwirtschaft des Südens unter Druck Insbesondere mit dem Agrarabkommen der WTO verknüpften die Regierungen des Südens große Hoffnungen, die sich bis heute allerdings nicht erfüllten. Denn schon seit vielen Jahren attackieren sie Exportsubventionen, interne Unterstützungen und Agrarprotektionismus der EU, Japans und der USA. Einerseits werden sie durch die erzwungenen Marktöffnungen mit hochsubventionierten Lebensmitteln aus dem Norden überschwemmt, andererseits schotten Industrieländer ihre Märkte noch immer gegen Agrargüter aus dem Süden ab, insbesondere wenn diese in Konkurrenz zu heimischer Produktion treten. Die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Exporten für die Devisenerwirtschaftung ist bei vielen Entwicklungsländern unverändert hoch. Der Agrargüteranteil an ihren Gesamtexporten erreicht zum Teil Größenordnungen von über 70% (Paraguay, Uganda, Malawi), bei einigen der ärmsten Länder sogar über 90% (Äthiopien, Sudan und Burundi). Damit sind sie auch in starkem Maße vom kontinuierlichen Verfall der Rohstoffpreise betroffen, welche seit 1970 um rund 40% zurückgegangen sind. Hinzu kommt, dass über die Hälfte der Bevölkerung des Südens für ihren Lebensunterhalt von der Landwirtschaft abhängt, in Industrieländern beträgt dieser Anteil nur noch 8,7%. Nun geht es der Welthandelsorganisation keineswegs um totalen Freihandel, vielmehr fordert sie in ihrem Agrarabkommen sehr bescheidene Absenkungen von Subventionen und die teilweise Öffnung der Märkte. Allerdings bleiben die Interessen der Industrieländer, was den Schutz ihrer Landwirtschaft angeht, in wesentlich stärkerem Maße gewahrt, als diejenigen des Südens. So boxten die USA und die EU in der Uruguay-Runde mit der "blue" und der "green box" die Legitimität ihrer spezifischen internen Subventionsprogramme durch. Ärmere Länder hingegen können sich nur in geringem Maße solche kostspieligen Unterstützungsprogramme leisten, und deren Anwendung wird durch die WTO zu allem Überfluss auch noch gedeckelt. Wollen Entwicklungsländer die eigenen Produzenten mithilfe von Schutzzöllen vor der Verdrängung durch gedumpte Nahrungsmittel aus dem Norden bewahren, müssen sie erst in einem kostspieligen und aufwendigen Verfahren die Schädigung ihrer Landwirtschaft nachweisen. Im Gegenzug hat sich der Zugang für Entwicklungsländer auf die Märkte des Nordens in den letzten Jahren keineswegs verbessert: Eine OECD-Studie kommt zu dem Schluss, dass der Außenschutz im Agrarbereich bei 8 von 10 OECD-Mitgliedern (die EU zählt als ein Mitglied) im Jahr 1996 höher war als noch 1993. Auch nach den in der Uruguay-Runde vereinbarten Zollsenkungen bleiben also zahlreiche Tarife derart hoch, dass Importe - jenseits einiger einseitig gewährten Kontingente - nicht mehr stattfinden. Spitzenzölle finden sich bei zahlreichen der für Entwicklungsländer wichtigen Produkte wie Zucker, Bananen, Tabak, Reis, verschiedenen Zitrusfrüchten und Gemüse, die oftmals mit dem Grad der Weiterverarbeitung auch noch ansteigen. Diese sogenannte Zolleskalation ist einer der Gründe dafür, dass es Entwicklungsländern kaum gelingt, Produkte mit höherem Verarbeitungsgrad auf die Märkte des Nordens zu bringen und ihre Rolle als Rohstoffexporteure zementiert wird. Ein weiterer Grund ist die
fortschreitende Beherrschung des Weltagrarhandels durch immer weniger transnationale
Konzerne. Sie bestimmen letztlich aus welchen Ländern, von welchen
Produzenten und mit welchem Verarbeitungsgrad sie Ware beziehen. Der Machtzuwachs
der Multis wird weder durch das Agrarabkommen, noch in effektiver Weise
durch Regierungen des Nordens eingeschränkt. Ganz im Gegenteil: Während
staatliche Handelsunternehmen durch die WTO kontrolliert werden, bleiben
private Konzerne hiervon ausgenommen.
Patent oder Leben Das WTO-Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums (Trade Related Intellectual Property Rights - TRIPs) greift tief in zentrale Sektoren der Entwicklungsländer, wie die Landwirtschaft oder die Versorgung mit Medikamenten, ein. Das TRIPs verlangt die Einführung von - in vielen Ländern des Südens bisher nicht existierenden - Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums, worunter z.B. künstlerische Werke, das Design von Produkten, Markennamen, Copyrights und Patente auf Erfindungen zählen. Gegen den erbitterten Widerstand der Entwicklungsländer hat die Industrie die Verabschiedung dieses Vertrags in der Uruguay-Runde durchsetzen können. Es wird geschätzt, dass von vormals 10-20% zukünftig weltweit über 80% der Produkte über geistige Eigentumsrechte geschützt werden. Die Patentierung von Saatgut und Medikamenten ist u.a. Gegenstand der gegenwärtigen Überprüfung des TRIPs-Abkommens. Die Ausdehnung von Patenten oder ähnlichen Schutzsystemen auf Saatgut stellt eine erhebliche Bedrohung der Ernährungssicherheit im Süden dar. So werden Neuzüchtungen nur noch gegen Entrichtung einer Lizenzgebühr an die patenthaltenden Saatgutkonzerne erhältlich sein. Über deren Höhe können die Konzerne die Nutzung ihrer Weiterentwicklungen faktisch unterbinden. So musste Indien auf eine züchterische Verbesserung von Baumwollpflanzen verzichten, da der Gentechnik-Multi Monsanto für die dazu erforderliche Technik zu hohe Lizenzgebühren verlangte. Desweiteren verbietet der Patentschutz gängige landwirtschaftliche Praktiken wie die Wiederaussaat von Erntematerial oder auch die konventionelle Weiterentwicklung von Nutzpflanzensorten über Kreuzungszüchtung. Nicht minder problematisch ist die Patentierung von Arzneimitteln, die ebenfalls durch das TRIPs-Abkommen geregelt wird. Diese wird zahlreiche moderne Arzneimittel für die arme Bevölkerung des Südens unbezahlbar machen. Flucanozol z.B., ein Medikament zur Behandlung von Hirnhautentzündung, genießt in Kenia Patentschutz und kostet dort 14 US-Dollar am Tag, in Thailand ohne Patentschutz hingegen nur 0,70 US-Dollar. Noch erlauben es zwei Ausnahmeregelungen des TRIPs, den preistreibenden Effekt der Patentierung zu umgehen. Zum einen dürfen unter bestimmten Umständen sogenannte Zwangslizenzen für ein Medikament vergeben werden, wenn die öffentliche Gesundheit gefährdet ist. Dabei wird der Patentschutz ausgesetzt und die Regierungen vergeben Lizenzen an andere Firmen, um ein Arzneimittel billiger produzieren zu lassen. Die andere Möglichkeit sind Parallelimporte: Hersteller exportieren in verschiedene Länder zu unterschiedlichen Preisen. Bei Zulässigkeit von Parallelimporten können Arzneimittel aus den billigsten Anbieterländern eingeführt und damit die Preise gesenkt werden. Pharmakonzerne machen derzeit
aber mobil, um die beiden ihre Umsätze schmälernden Ausnahmeregelungen
zu kippen. Während eines Geheimtreffens des EU-Handelskommissars,
Pascal Lamy, mit den Pharmamultis Glaxo Wellcome, Aventis und Boehringer
Ingelheim unterbreiteten diese ihre Forderungen für Änderungen
des TRIPs-Abkommens. Entwicklungsländer, die die Ausnahmen von der
Patentierung nutzen, werden zudem direkt unter Druck gesetzt. Glaxo Wellcome
klagt gegen die südafrikanische Regierung, da diese ein Gesetz verabschiedet
hat, das den Zugang der Armen zu patentgeschützten Medikamenten u.a.
zur Behandlung von AIDS sichern kann. Anstatt Korrekturen am TRIPs zugunsten
von Entwicklungländern einzufordern, schlägt sich auch das deutsche
Bundesjustizministerium auf die Seite der Industrie. In einem Brief an
die Wirtschaftsverbände forderte es dazu auf, Beispiele zu nennen,
wo aus dem TRIPs-Abkommen resultierende Rechte der deutschen Wirtschaft
in der Dritten Welt verletzt würden.
Dem Norden dienen Einer der potenziell weitreichendsten, aber noch kaum kritisch beleuchteten WTO-Verträge, ist das Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services). Der Handel mit Dienstleistungen gilt als einer der dynamischsten Wachstumsbereiche der Weltwirtschaft und machte 1999 rund ein Viertel des gesamten Welthandels aus. Der Dienstleistungssektor umfasst eine Vielfalt an wirtschaftlichen Tätigkeiten. Dazu zählen u.a. Finanz-, Versicherungs-, Transport-, Kommunikations-, Energie- und Umweltdienstleistungen, das Bildungs-, Gesundheits- und das Bauwesen sowie der bedeutende Bereich des Tourismus. Bisher bietet das GATS den WTO-Mitgliedern noch die Möglichkeit, nur in einzelnen dieser Sektoren ihre Märkte für ausländische Anbieter zu öffnen. Diese Regelung möchten die Industrieländer in der jetzt begonnenen Neuverhandlung des GATS aber kippen, sodass die Liberalisierungsverpflichtungen für sämtliche Dienstleistungsbereiche gelten würden. Da viele Dienstleistungen nicht wie Industriegüter oder Landwirtschaftsprodukte über die Grenzen verschickt werden können, sind sie häufig nur über geschäftliche Niederlassungen oder durch den vorübergehenden Aufenthalt von Personen im Ausland zu erbringen. Daher umfasst das GATS neben "klassischem" grenzüberschreitenden Handel auch die umstrittenen ausländischen Direktinvestitionen und die zeitweise Arbeitsmigration. Viele Entwicklungländer haben spezielle Regeln erlassen, um aus den bei ihnen getätigten Investitionen auch einen Nutzen ziehen zu können. So gibt es Auflagen, die den Verbleib bestimmter Gewinnanteile im Land, die Verwendung heimischer Vorprodukte, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Einhaltung bestimmter nationaler Gesetze (z.B. Umwelt- oder Arbeitsschutz) vorschreiben. Derartige, auf die jeweiligen Entwicklungsbedürfnisse zugeschnittenen Investitionsregeln sind durch die geplante Ausweitung des GATS jedoch bedroht. Was mit dem Abbruch der Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionssabkommen, MAI, Ende 1998 noch scheiterte, kann sich über das Hintertürchen des GATS also wieder durchsetzen: Global gültige Regeln zum Schutz von Investoren auf Kosten entwicklungsförderlicher staatlicher Steuerung. Dort, wo Entwicklungländer einen Wettbewerbsvorteil haben, nämlich bei arbeitsintensiven Serviceleistungen, wurden ihnen in der Uruguay-Runde kaum Zugeständnisse gemacht. Vor allem bleiben die Arbeitsmärkte des Nordens gegenüber Dienstleistungserbringern aus dem Süden abgeschottet. Die Bewegungsfreiheit, die Waren und Kapital genießen, gilt nach wie vor nicht für Menschen. Ebenso enthält auch
die nach dem Scheitern von Seattle gestartete Charme-Offensive der EU und
der USA keine ernsthaften Angebote an die Entwicklungländer. Der Marktzugang
soll erleichtert werden, aber eben nicht für alle Produkte. Technische
Hilfe soll verbessert werden, aber vor allem bei der Umsetzung zweifelhafter
Handelsverträge. Kernforderungen des Südens nach einem Moratorium
bei der Umsetzung einzelner WTO-Abkommen und nach ihrer entwicklungsförderlichen
Reform bleiben hingegen unerfüllt. Solange die Bedürfnisse der
schwächeren Weltmarktteilnehmer weiterhin ignoriert werden, dürfte
aber auch eine Integration von Sozial- und Umweltnormen in das Handelsregime
- viele Süd-Regierungen geißeln dies als verkappten Protektionismus
des Nordens - kaum erreichbar sein.
(Dieser Artikel erscheint im Heft 3/2000 des INKOTA-Briefes (Nr. 113), September 2000) http://www.blue21.de/INKOWTO.rtf ************************ Ein paar Beispiele:
Der Venezuela-Benzin Fall
.
Der Hormonfleisch Fall
Der Krabben-Schildkröten
Fall
Der Karibische-Bananen
Fall
Der Guatemala-Gerber Fall
Pharmakonzerne klagen gegen Südafrika wegen AIDS-Medikamenten 39 Internationale Pharmakonzerne (darunter 7 deutsche) verklagten 1997 den Staat Südafrika, um zu verhindern, dass die Regierung preiswerte AIDS-Medikamente herstellen oder importieren darf. Um den rund 3 Millionen HIV-Infizierten in Südafrika zu helfen, die sich die teuren Medikamente der Pharmakonzerne nicht leisten können, verabschiedete Südafrika ein Gesetz, das die Erteilung von Zwangslizenzen auf patentierte Arzneimittel ermöglicht. Dadurch hätten imitierte Medikamente - vor allem aus Indien - zu weit geringeren Kosten zur Verfügung gestellt werden können. Die Pharmakonzerne sahen
durch das besagte Gesetz ihren Patentschutz für Medikamente gefährdet
und argumentierten, dass dadurch das TRIPS-Abkommen (handelbezogenes Urheberrecht)
und damit die Regeln der WTO verletzt seien. In Südafrika sind seit
1997 - dem Beginn der Klage - ca. 400.000 Menschen an AIDS gestorben.
Die Position der Pharmakonzerne Bei der Klage ging es den
Konzernen vor allem darum, den für die Forschung essentiellen Schutz
geistigen Eigentums zu sichern. "Ohne Patentschutz gibt es keine Forschung.
Wer diesen Schutz unterläuft, verhindert die Entwicklung lebenswichtiger
Medikamente", erklärte Cornelia Yzer vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller
(VFA).
Die Position deutscher Nichtregierungsorganisationen Angesichts der aktuellen AIDS-Katastrophe in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas forderten z.B. die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Buko-Pharma-Kampagne und zahlreiche weitere Organisationen einen sofortigen Klagestopp. Es gehe nicht in erster Linie um den Schutz von Patentrechten, sondern v.a. um den Schutz menschlichen Lebens. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul schloss sich dieser Kritik an. Die Pharmakonzerne reagierten
auf wachsende Proteste mit drastischen Preissenkungen für verschiedene
Medikamente. Trotzdem bleiben diese Preise noch deutlich über denen
von Anbietern aus der Dritten Welt. So handelte z.B. die Firma Merck &
Co für bestimmte Medikamente einen Preis von 1.200 US$ pro Patient
aus. Die indische Firma Cipla hatte dieselben Medikamente für 350
US$ angeboten. Am 19. April 2001 zogen die Pharmakonzerne schließlich
ihre Klage gegen Südafrika zurück.
Privatisierung der Wasserversorgung in Bolivien In manchen Bereichen wirkt sich Privatisierung positiv für den Verbraucher aus (z.B. Telefonpreise), in anderen werden jedoch soziale Ungerechtigkeiten verstärkt, sei es, dass Subventionierungen, um eine Grundversorgung zu gewährleisten, wegfallen, oder es kein flächendeckendes Angebot mehr gibt. Durch die Weltbank wurde
in der bolivianischen Stadt Cochabama die Wasserversorgung privatisiert.
Die Auswirkungen für boliviens ärmste Familien war verheerend.
Die nun zuständigen Firmen erhöhten den Wasserpreis um bis zu
200% - selbst das Sammeln von Regenwasser in Dachtanks war ohne Genehmigung
verboten. Die Folgen der Preissteigerung führten zu Massenprotesten
bei denen Zehntausende auf die Strassen gingen. Bei Auseinandersetzungen
mit dem Militär, das eingesetzt wurde, starb mindestens eine Person
und hunderte wurden verletzt. Schließlich zog die Regierung ihre
Massnahmen zurück und die Kontrolle der Wasserversorgung ist wieder
in lokaler Hand.
Interessen der Industrie am GATS Industrielle Lobbygruppen,
die an den Verhandlungen zum GATS beteiligt werden, nannten folgende Sektoren
als ihnen besonders wichtig: Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Hauspflege,
Zahnfürsorge), Kinder- und Altenbetreuung, Bildungswesen (Schulen
und Hochschulen), Museen, Büchereien, Justiz, Sozialwesen, Architektur,
Energie, Wasserversorgung, Umweltschutzdienste, Immobilien, Versicherungen,
Tourismus, Postdienste, Transport (inkl. ÖPNV), Verlage, Rundfunk
und Fernsehen, ...
Pascal Lamy, europäischer Kommissar für den Handel: "Wenn wir unseren Zugang zu fremden Märkten verbessern wollen, können wir die eigenen geschützten Sektoren nicht aussen vor lassen. Wir müssen offen sein, über alle zu verhandeln, um genug anbieten zu können, um diese grosse Chance wahrzunehmen. In den USA und Europa bedeutet dies das Inkaufnehmen von Nachteilen in wenigen und Vorteile in vielen anderen Sektoren. Ich denke, dass wir beide wissen, dass wir in den sauren Apfel beißen müssen, um zu bekommen, was wir wollen. Siehe auch: Die
Herren der Netze
Fallbeispiel: Mais-Bauern in Mexiko und den USA Bauern in den USA produzieren Mais zu weitaus geringeren Preisen als ihre Kollegen in Mexiko: Anfang der 1990er Jahre kostete eine Tonne US-amerikanischer Mais US$ 110, eine Tonne mexikanischer Mais US$ 240. Um die einheimischen Bauern vor Billigimporten zu schützen, verhängte die mexikanische Regierung daher lange Zeit Einfuhrbeschränkungen für Mais aus den USA. Das Liberalisierungsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko (NAFTA) setzen nun diesen Importrestriktionen ein Ende. In einer Übergangszeit von 15 Jahren muss die mexikanische Regierung sämtliche Beschränkungen für den Import von us-amerikanischem Mais aufheben. Die Folgen dieser Liberalisierungspolitik liegen auf der Hand: Die mexikanischen Maisbauern werden mit dem billigeren importierten Mais aus den USA nicht konkurrieren können. Der mexikanische Mais wird vom einheimischen Markt verdrängt werden, die Maisbauern ihre Lebensgrundlage verlieren. Da Mais das wichtigste Grundnahrungsmittel in Mexiko ist, sind große Teile der Bevölkerung von dieser Regelung betroffen. Verschiedenen Schätzungen nach werden zwischen einigen 100.000 und 15 Millionen Menschen ihre Dörfer verlassen und in die Stadt ziehen müssen. Die Agrarverhandlungen der WTO Derzeit wird weltweit ein neues Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten ausgehandelt. Einige Staaten fordern einen umfassenden Abbau von Zöllen, Subventionen und anderen Hindernissen für den weltweiten Handel mit Nahrungsmitteln. Was dies für Länder mit vielen Kleinproduzenten wie z.B. Kenia oder Uganda bedeutet, deutet der Fall Mexiko an. Das Agrarabkommen macht eine kleinbäuerliche Landwirtschaft - nicht nur in den Ländern des Südens - zu direkten Konkurrenten einer hochindustriellen Landwirtschaft. Hinzu kommt, dass die Länder des Nordens durch die Beibehaltung eigener Subventionen diese Konkurrenz noch verschärft haben. Die Weltläden fordern deshalb z.B. eine "Food-Box", die symbolisch für ein Bündel von Schutzmaßnahmen zugunsten der Landwirtschaft in den Ländern des Südens steht. http://massenmensch.de/wto/ |