„Bedürfnisse“ vs. „Wünsche“ (Prioritäten)

 

Zum Thema einleitend ein Zitat aus black01_next.gif»Verschuldung, Geld und Zins – Grundlegende Kategorien einer Wirtschaftstheorie« 

»Unternehmerische Investitionskredite stellen die beste Schuldenform dar. Der Unternehmer kann den Verlust des verpfändeten Vermögens nur abwenden, indem er mit den vorfinanzierten Investitionsmitteln – der Verschuldung also – ein marktfähiges Produkt erstellt, welches ihm die vorfinanzierten Mittel und die darauf anfallenden Zinsen am Markt einbringt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss er, wie oben schon erwähnt, Bedürfnisse so stark kultivieren, dass Wirtschaftsakteure bereit sind, sich diese zu erfüllen. Die Investitionskredite der Unternehmer sind die Antriebsquelle von Fortschritt und Wohlstand.« (>>)

Im Grunde genommen eine durchaus korrekte Ansicht, wie ich meine! Andererseits, was »erfüllt« man sich, im "eigentlichen Sinne", tatsächlich?

Das Problem hat der Kaufhaus-Gigant J. C. Penney untersuchen lassen. Das Ergebnis der Studie ist sensationell:

1. Dem Konsumenten geht es nicht mehr um »Bedürfnisse«, sondern um »Wünsche«. Um »wants«, nicht mehr um »needs«.

2. Wünsche sind stärker als Bedürfnisse, weil sie Rückwirkungen auf den sozialen Status des Betreffenden haben: Wer sich keinen Porsche leisten kann, fällt aus der Schicht heraus, die sich einen Porsche leisten kann, und sinkt ab in eine Schicht, die sich niemals einen Porsche leisten kann. (Statt Porsche kann natürlich alles stehen, was gerade »in« ist).

3. Um sich die Wünsche zu erfüllen, geht der Verbraucher mit den Bedürfnissen herunter. Er ißt nur noch bei McDonalds und fischt sich sein »Wall Street Journal« aus dem Papierkorb, um sich die Hasselblad leisten zu können.

Name dieser »Wünsche-verdrängen-Bedürfnisse-Erscheinung«: Das Sakrifiz-Syndrom.

 Aus »Aufwärts ohne Ende«, von Paul C. Martin

Yepp, das ist es! »Wünsche« können (!!) »erfüllt« werden, »Bedürfnisse« müssen (!!) »gestillt/befriedigt« werden!!

In der heutigen, schönen, bunten medialen Werbe- und Konsumwelt, wird oft genug beides miteinander verwechselt! Obgleich ich mir natürlich darüber im Klaren bin, daß dies dem Fortbestand der Kreditpyramide grundsätzlich durchaus dienlich ist, sollte trotzdem dringend darüber nachgedacht werden, in welchem Umfang es verantwortbar ist, das Eine (=Wünsche) dauerhaft über das Andere (=Bedürfnisse) zu stellen!!

Auch wenn eine scharfe Abgrenzung zwischen beidem nicht selten recht schwierig fällt, ist dies ein ungeheuer wichtiger Aspekt. Zur Verdeutlichung sei mir ein bewußt überzeichnetes Beispiel erlaubt; wobei ich gleich voranstellen will, daß ich selbst keine Kinder habe und deshalb natürlich leicht reden kann , und mich ansonsten auch selbst nicht komplett ausklammern will und kann:

Antsatt sich zwei Mercedes, ein Haus mit Hypothek bis über beide Ohren, die neuste Dolby®-Surround-Anlage, Plasma-Großbildschirmfernseher, 12-Megapixel-Digitialkamera, Multimedia-ich-kann-alles-Handy usw., glauben leisten zu müssen (was überhaupt nur geht, wenn beide Schaffen gehen), um bei den Nachbarn gut dazustehen, sollten sich Eltern lieber um ihre Kinder kümmern und sie nicht stundenlang vor besagtem Plasma-Großbildschirmfernseher oder PC black01_next.gif»ablegen«!! Daß da was nicht zusammenpassen kann, liegt unmittelbar auf der Hand. Und das als Folge davon, dann eine Diskussion, über unbedingt notwendige Ganztagesbetreuungen der Kinder, die Medien füllt, leuchtet auch ein; kann man doch dann seine Kinder generalstabsmäßig und mit Segen der Gesellschaft, sogar ganztägig, "abstellen".

Ich betone nochmals: bewußt überzeichnet. Natürlich schließt ein Plasma-Großbildschirmfernseher -- oder auch eine Ganztagesbetreuung selbst -- eine ordentliche Erziehung nicht zwangsläufig aus. Ich denke ihr wißt, was ich meine. Beispiele für »Wünsche« vs. »Bedürfnisse« gibt es jedenfalls genug. Zwei weitere, zugegebenermaßen etwas simplifizierte:

• Mitunter bekomme ich zu hören -- und schließe mich da selbst, auch und gerade beim nächsten Punkt Fernsehen ,  ganz und gar nicht aus --, daß sich ja kein Mensch komplett von "Bio" (oder Tante Emma-Laden Einkäufe o.ä.) ernähren kann, weil das einfach unbezahlbar sei. Tatsächlich? Anstatt Passat einen Polo, und schon ist auf Jahre hinaus "Bio" und der Tante-Emma-Laden um die Ecke gerettet!!
»Ich habe keine Zeit für... «. So so, keine Zeit??? Ja wie, zum Teufel noch eins, kommen dann beinahe fünf Stunden Fernsehen pro Tag zustande (siehe hier >>)?? Wirklich keine Zeit???

Oder ist es nicht vielmehr und meistens "schlicht" eine Frage der Prioritäten?? Und dies möglicherweise sogar, wenn man mal wirklich darüber nachdenkt, alle Tätigkeiten, ja das Leben an sich,  betreffend??

Selbstverständlich ist es bei uns zur Zeit so, das die Grund»bedürfnisse« (Essen, Dach überm Kopf ...) bei der überwiegenden Mehrzahl der Menschen als sicher zu befriedigen gelten, weshalb durchaus genügend Raum, Zeit und Muße zur Verfügung steht, sich ruhigem Gewissens den »Wünschen« zu widmen.

Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, daß es uns zum Einen durchaus nicht Schaden kann, wenn wir uns ab und an wirklich bewußt machen, daß das funktionierende Stillen der Grundbedürfnisse, keine Selbstverständlichkeit darstellt. Zum Anderen sollten wir uns in der Tat immer mal wieder überprüfen, ob die gesetzten Prioritäten, nicht möglicherweise ein wenig -- sozusagen --, weg von den »Wünschen«, hin zu den »Bedürfnissen«, verschoben werden sollten. Debitismus hin oder her!! Ich denke, daß klärt den Blick für das wirklich Wichtige im Leben und kann durchaus die Lebensqualität erhöhen!!

»Mit den Gelüsten ist schwer streiten. Denn was es heischt, kauft es auf Kosten der Seele.«

HERAKLIT

Abschließend noch etwas. Ganz gut zum Thema passt ein Satz aus black01_next.gif»„Nicht länger Miete zahlen“: US-Immobilien-Blase platzt«, wo es um zwei Millionen US-Familien geht, die ihr Häuschen auf Pump gekauft haben und nun die Kredite nicht mehr bezahlen können. Dort wird lamentiert, das »Angehörige unterer Schichten und Bewohner vergessener Regionen unter der Last zu teurer Hypotheken in den Ruin getrieben werden«. Ihr lieben Leut!?!? Um es ganz klar zu sagen: Hat irgendjemand diese Menschen dazu gezwungen, sich bis zur Halskraus -- und darüber hinaus (!!) -- in Schulden zu stürzen (Staat außen vor gelassen )? Wer, wenn nicht sie selbst, hat den Kreditvertrag unterschrieben? Natürlich ist/war die Versuchung groß, denn die Wünsche sind/waren es ebenso!! Einer Versuchung kann man überhaupt nur dann erliegen, wenn es vorher einen Wunsch gegeben hat! Ohne zuvor vorhandenen Wunsch, keine Versuchung, der man dann erst erliegen kann. Die Formulierung »getrieben werden« entbindet die Protagonisten aber -- unterschwellig -- vollständig aus ihrer ureigenen Verantwortung. Eine Schuldentlassung (fast schon im wahrsten Sinne des Wortes), die so einfach nicht sein kann!!

Womit wir wieder bei oben wären. "Der Debitismus" schlägt gnadenlos zu. So oder so. Nur ist der Schlag umso schlimmer, wenn die Wünsche den Bedürfnissen meilenweit den Rang abgelaufen haben. Ich gebe zu, daß in dieser Betrachtung ein Portion "Idealismus" mitschwingt. Denn die gierige Wünsche-Erfüllung ist der Treibstoff der "debitistischen" Lebenserhaltung: der Neukreditvergabe!! Aber langsame Beschleunigung und Fahrt, mit einem kleinen Auto, führt auch zum Ziel! Und beim "debitistischen Ziel" -- dem Kollaps der Kredite --  ist eine sicherere und langsamere Fahrweise vielleicht sogar von Vorteil, einfach weil insgesamt mehr Zeit vergeht. Wie gesagt, Staat mal außen vor gelassen !!

P.S.: Soweit die Theorie, die ja bekantlich überaus grau daher kümmet!! Deshalb: Ich will hier wahrlich nicht den Oberlehrer mimen. Ich stecke in dem alltäglichen Wust und Chaos genau so drin, wie jeder andere auch. Zudem, ein Großbildschirmfernseher mit Dolby®-Surround-Anlage wäre schon 'ne geile Sache . Derartige "Spielzeuge" können durchaus Frohsinn verbreiten ; meinen PC und diverse andere, nette "Spielereien" möchte ich auch um nichts in der Welt mehr missen!! Aber es darf einfach nicht das Seelenheil davon abhängen und/oder den Blick für das Wichtige vernebeln! Und dergleichen gar automatisch gleichzusetzen mit Lebensqualität, ist ein sehr, sehr großer Fehler, der, nämlich genau dadurch -- viel Materielles = viel Lebensqualität --, tatsächlich exakt zum Gegenteil führen kann!!!!!